MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 2. Abtheilung

203 
Die einzelnen Töne der architektonischen Seala: der Sockel, die Säulen mit ihren Basen 
und Kapitalen, die durch Rnndbogenfries verbundenen Lisenen samint dem darüber 
angebrachten keilförmigen Zahnschnitt und dem Gesimse, die Fenster und die Portale 
entfalten sich von den einfachsten zu den reichsten und mannigfaltigsten Formen, aus 
denen der gesammte Entwicklungsgang der böhmischen Architektur als eine versteinerte 
Symphonie entgegentönt. Die geistreiche Phantasie der romanischen Baumeister des 
XII. Jahrhunderts ist insbesondere an den Portalen von ganz kleinen Kirchen ausgeprägt. 
Das einfache, durch ein bloßes Tympanonkreuz bezeichnte Portal in Muglitz und jenes 
mit verschwenderischer Pracht und staunenswerther Technik geschmückte Portal in Söberte, 
sie sind die beiden Pole dieser interessanten Kette. Eine gleich reiche Entwicklung ist an 
den Säulen sammt ihren Basen und Capitälen wahrzunehmen. Die anfangs plumpen 
Eckknollen der meist attischen Basis verwandeln sich im Laufe der Zeit in feingeformte 
Blätter, Muscheln und Frösche; der Schaft ist rund und polygonal, cannelirt und gewunden, 
glatt und ornamentirt, aus mehreren Stäben zusammengesetzt und geflochten; das älteste 
Würfelcapitäl ist entweder glatt oder nur mit einer halbkreisförmigen Füllung umschlossen, 
später aber mit stilisirtem Blattwerk mannigfaltigst bedeckt, auch durch scnlpirte, der 
Thicrwelt entlehnte Decorationen verziert. Die früher nur einfach abgeschrägten Fenster 
leibungen wurden nun durch Rundstübe und Hohlkehlen reich profilirt. Die schmucklosen 
Außenwände des Schiffs und der Apsis wurden durch Lisenen, zu Ende der Periode sogar 
durch Blendarkadcn gegliedert und belebt. Ein frischer Geist voller Anmuth pulsirt durch 
den gesammten Organismus der Gebäude, deren Grundrißbildung mit Ausschluß der 
Rotunde sich in den Hauptfvrmen der ersten Periode bewegt. Die Kirchen sind durchwegs 
einschiffige, in geringen Dimensionen angelegte, gegen Osten mit einer halbrunden Apsis 
oder einem quadratischen, zuweilen auch mit einem polygonalen Chore schließende 
Gebäude, denen an der Westfa^ade ein rechteckiger Thurm vorgelegt ist, der sich ent 
weder über die ganze Schiffsbreite, wie in Kyje und an der nur theilweise erhaltenen 
St. Ägidiuskirche in Mühlhausen erstreckt, oder aber auf einem engeren quadratisch 
angelegten Grundriß, wie bei den Kirchen in Planan, Müglitz, Liebshausen und Rudig, 
an das Schiff angeschlossen ist. Die durch reiche Architektur ausgestatteten Kirchen zu 
Potvorov und Rudig entbehren aber einer Thurmanlage. Bei der meisterhaft disponirten 
Kirche zu Söberle dagegen steigt der auf vier freistehenden Säulen ruhende Thurm aus 
der Mitte des quadratischen Schiffraumes empor. Die St. Gallnskirche in Porlei 
und die St. Bartholomüuskirche in Kondrac sind aber bei einschiffiger Anlage durch 
je zwei Thürme ausgezeichnet; bei jener mit einer zierlichen Krypta ausgestatteten 
Kirche flankiren die beiden quadratischen Thürme die Schiffseiten, bei dieser ist die 
Westfronte durch zwei runde Thürme geziert, welche mit ihren ringsum in zwei
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.