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Karls IV. Liebe zur Tonkunst beschränkte sich übrigens nicht auf die Kirchenmusik.
Gern erholte er sich, nach seinem eigenen Geständnis von den Mühen des Tages durch
Anhören eines wohlklingenden Trompeterstücks und hielt darauf, auch seine Gäste aus
nah und fern durch Musik zu erfreuen. Weder an Musikinstrumenten noch an Spielleuten
hatte seine Hofhaltung noth; den letzteren gegenüber erwies er sich ebenso herablassend
wie freigebig.
Infolge der lebhaften religiösen Bewegung, von welcher Böhmen gegen Ende des
XIV. Jahrhunderts erfaßt wurde, nahm die Zahl der böhmischen Kirchenlieder bedeutend
zu. Der Inhalt der Texte erregte aber mitunter bei der Hierarchie so sehr Anstoß, daß
der Erzbischof, um dem Überhandnehmen von Irrlehren zu steuern, 1406 alle neuen
Lieder verbot und von den alten Gesängen nur vier dem Volke ganz besonders am
Herzen liegende gestattete, darunter selbstverständlich auch das Adalbertslied und das
Wenzelslied. Nicht minder bedacht war man übrigens auf die künstlerische Reinheit und
Würde der Kirchenmusik; wiederholt wurde der Mißbrauch der Instrumentalmusik zum
Vortrag ausgelassener Volksweisen getadelt und die Beschränkung auf das Orgelspiel
empfohlen, auch gegen die Einschmugglung neu auftauchender profaner Kunstformen, wie
der „Rondelli", entschieden Einsprache erhoben. Die weltliche Musik muß damals offenbar
zu großer Beliebtheit, Ausbildung und Verbreitung gelangt sein, wenn die Kirche, die doch
über eine reich ausgestattete, glänzende musikalische Liturgie gebot, sich so ernstlich gegen
den Ansturm derselben zu wehren hatte.
Die beschränkenden Maßregeln aber, welche man kirchlicherseits gegen den Volks
gesang anwenden zu müssen glaubte, hätten ihn selbst und seine Weiterentwicklung in
Frage gestellt und die Kirchenmusik, wie in anderen katholischen Ländern, auch in Böhmen
zunächst nur als lateinischen Kunstgcsang gefördert, wenn nicht gerade im Anfang des
XV. Jahrhunderts durch die husitische Bewegung ein durchgreifender Umschwung ver
ursacht worden wäre. Der volksthümliche Zug, der die reformatorischen Strömungen in
Böhmen überhaupt charakterisirt, hat sich auch in der Musik geltend gemacht und der nun
beginnenden zweihundertjährigen Epoche (1420 bis 1620) seinen Stempel aufgedrückt.
Zwar konnte die heftige grundsätzliche Opposition, die sich gegen den äußeren Glanz
und Pomp des katholischen Gottesdienstes richtete, auch die Musik nicht unberührt lassen.
Allein nur der lateinische Priestergesang und zum Theil die Instrumentalmusik, hier und
da sogar der Gebrauch der Orgel wurde von ihr wirklich getroffen; dem Gemeindelied
in der Volkssprache aber ließ man, nach dem gelegentlich citirten Grundsätze ,qr>I onnit,
bis orrrt°, allenthalben die eifrigste Pflege zu Theil werden. Zunächst wurde nun der ganze
Schatz der bereits vorhandenen, ursprünglich katholischen, böhmischen Gesänge frei
gegeben — allerdings mußten die Texte es sich gefallen lassen, dort, wo es nöthig schien,