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und sich durch ein Werk: „Grundtliche Darstellung der fünff Seullen" als eine Art
Theoretiker einführt. Das Buch, welches die Darstellung von Säulenordnungen und
diverse Details nebst „schönen'Grundtrissen, Rohr- und Quadraturboden auf hundert und
mehr Kupfer radirt" enthält, wurde von Kaspar Wussin ohne Jahresangabe heraus
gegeben. Unter den Scamozzi und Vitrnv „und anderen vornehmben Baumeistern"
entnommenen Motiven finden wir auch Grundrisse und Facadeu der Kreuzherrenkirche und
des Czernin'schen Palastes, welche anscheinend als höchste Leistungen jener Zeit galteil.
Der Meister, in dessen Werke wir gewissermaßen das Glaubensbekenntniß älterer
Richtung forinulirt finden, sah bereits eine neue Generation heranwachsen. Leutner war
seit 1685 bei den Bauteil des Klosters Waldsassen betheiligt, wo er in Berührung mit der
Familie Dienzenhofer kam, und bald darauf tritt ein Mitglied dieser Künstlerfamilie,
Christoph Dienzenhofer (geboren 1655), in Böhmen auf. Seine erste Arbeit war vermuthlich
die Vollendung der Theatinerkirche in der Spornergasse, welche unter dem Einfluß
Quarini's, des Theatinermönchs, entstanden zu sein scheint.
Der Antheil Dienzenhofers an dem Bau der im Jahre 1709 vollendeten Maria
Magdalenakirche, in welcher er nach seinem im Jahre 1722 erfolgten Tode beigesetzt
wurde, mag nur ein geringer sein, dagegen dürfte vollständig ans ihn der in die Jahre
1715 bis 1719 fallende Umbau der Benediktinerkirche zu St. Margareth bei Prag
zurückgehen. Sein bedeutendstes Werk ist jedoch die großartige Jesnitenkirche zu St. Niklas
auf der Kleinseite, welche bei seinem Tode unvollendet dastand und deren Ban erst nach
langen Jahren von seinem Sohne wieder in Angriff genommen wurde.
Die Werke des Christoph Dienzenhofer athmen einen vollständig anderen Geist
als die älteren Bauten, bei welchen wesentlich nur das Detail barock zu nennen ist,
während die Anlagen und die constructiven Theile streng und maßvoll sich gestalten. Bei
Dienzenhofer bemächtigt sich das Barocke auch dieser Elemente; über Eck gestellte Pfeiler
und Säulen, zerhackte Kreissegmente an Portalen, Bekrönungen und Giebeln, unregel
mäßig gebildete Fenster und Öffnungen dringen siegreich vor mit den geschwungenen und
geschweiften Linien, welchen selbst das Grundschema des Baues folgen muß. Die
unerfreuliche Fa^ade der Niklaskirche, welche auf den alten Dienzenhofer zurückgeht, hat
in dem Bau der St. Margarethenkirche in dieser Richtung ihr Seitenbild. In künstlerischer
Beziehung brachte dies Bestreben den einen günstigen Erfolg mit sich, daß nämlich nun auch
die Seitenflucht, welche bei den älteren Jesuitenbauten durch ihre Einfachheit fast abstößt,
eine künstlerische Durchbildung und Ausstattung erhält. Alan merkt dies auch bei den
Zeitgenossen Dienzenhofers, welche sich noch einer größeren Strenge befleißigen. Zu diesen
gehört Marc Anton Canevalli, welcher im Jahre 1694 bis 1696 die Kreuzkirche in
Reichenberg und im Jahre 1702 die Ursulincrkirche in Prag erbaute, der bauknndige