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Die meisten der alten Burgen stammen aus der Periode Karls I V. Die damals engen
Beziehungen zu dem päpstlichen Hofe zu Avignon und zu Frankreich entwickelten eine unge
wöhnliche Bauthätigkeit, welche die bisher herrschende Vorliebe für Holzbauten überwand.
Karl selbst legte einige Burgen ganz neu an, welche sämmtlich nach ihm benannt wurden,
meist nüchterne Bauten, die den praktischen und in gewisser Hinsicht sparsamen Kaiser zum
Urheber haben und nur der Erhaltung der Sicherheit und des Landsfriedens wegen
gegründet wurden. Das von ihm bei Pilsen erbaute Schloß Karlskrone (vom Volke nach
der Örtlichkeit Radyne benannt) erscheint als das einfachste, was man sich denken kann,
nämlich ein viereckiges Gebäude, an dem einen Ende abgerundet, an dem andern in
einen Thurm auslaufend; es brauchte nicht größer zu sein, da es nur von einem
Pfleger bewohnt werden sollte. Weitläufiger ist das bei Bergreichenstein liegende Schloß
Karlsberg, insofern es ausgebreitete und langgedehnte Außenwerke besitzt, aber der Kern
desselben, das von zwei Thürmen gekrönte Hauptgebäude ist auch nüchtern gehalten. Das
nördlich von Frauenberg gelegene Karlshaus erscheint wieder als ein von Gebäuden
umgebener Hof mit Kirche und Burgflecken, auffallenderweise ohne Thurm. Was an diesen
Bauwerken erspart wurde, das wurde im reichlichsten Maße auf den Karlstein ver
wendet, denn dieser sollte als Aufbewahrungsort der Kroninsignien alle Kronburgen an
Festigkeit und Pracht überbieten. Die Anlage ist gewiß vom Kaiser selbst, der in allem
und jedem persönlich eingriff und stets das Richtige traf, vorgezeichnet worden. Der Haupt
gedanke derselben ist, einen massiven, an und für sich festen und überdies von Natur und
Kunst befestigten Thurm durch mehrfache Außenwerke und einige Hindernisse unzugänglich
zu machen. Deshalb sind da mehrere Thore, ehemals mit Zugbrücken versehen, und in den
innersten Ringmauern befand sich als einziger Zugang eine enge Stiege, welche das
Eindringen einer Masse sehr beschwerlich machte, die sonstigen Hindernisse ungerechnet.
Auf diese Weise erscheinen die Collegiatkapelle zu St. Maria, der kaiserliche Palast und
die Burggrafenwohnung als Nebenbauten, weit hinter dem Heiligsten, dem Thurm mit
seiner geheiligten Kapelle, welchen kein Mann mit seiner Frau, nicht einmal der Kaiser
mit der Kaiserin bewohnen durfte. Vier Kapellen befinden sich in dieser Burg: eine dem
heiligen Nikolaus geweihte, zwei, zu St. Maria und St. Katharina in der Marienkirche
und die Kreuzkapelle im Hauptthurm. Letztere als die hauptsächlichste und die Katharinen
kapelle als die für den Kaiser allein bestimmte, wurden mit dem Schönsten und Besten, was
Kaiser und Reich bieten konnten, ansgeschmückt. Böhmische Edelsteine in ungewöhnlicher
Größe schmücken die Wände, sofern dieselben von Werken tüchtiger Maler nicht bedeckt
werden. Besonders die Kreuzkapelle ist mit einem riesigen Aufwand von Geldmitteln aus
gestattet worden. Obwohl sie theilweise ihres Schmuckes, der Edelsteine beraubt ist, obwohl
die ehemalige Farbenpracht verblichen ist, überrascht sie dennoch den Neueintretenden,