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In vielen Typen, in den Gestalten der Landespatrone und den Darstellungen der
Christus-Brustbilder läßt sich der Einfluß der byzantinischen Kunst erkennen.
Wie aus der romanischen Periode, so haben sich auch aus der ersten Epoche der
Gothik nur spärliche Denkmäler erhalten. Während in der Architektur der gothische Stil
sich schon in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in Böhmen siegreich die Bahn
bricht, kann er bei kleineren Knnstgegenständen nur allmälig aufkommen. Die Motive,
welche die neue Periode brachte und erweiterte, erscheinen freilich schon frühzeitig: mannig-
facheUngethüme, Sirenen und streng stilisirte heraldische Formen. Verfolgen kann man dies
an den minder gelungenen Bracteatenbildern aus der Zeit König Wenzels und Ottokars, an
den mit deutschen Inschriften versehenen Pflasterziegeln, die sich in der Burg Klingenberg
aus der Zeit Wenzels II. erhalten haben und die in der Form mit anderwärts, in England,
Frankreich und Deutschland gefundenen übereinstimmen, und auch an den großen Siegeln
der böhmischen Könige und geistlicher Würdenträger. Ein ganz besonderes Werk der Gold
schmiedekunst hat sich jedoch in dem Patriarchal-Kreuze, das von Zävis von Falkenstein
dem Kloster zu Hohenfurth gewidmet wurde, erhalten. In den lilienartig endigenden Armen
kündigt sich schon eine neue Periode an; die Fläche wird, so weit sie nicht mit Steinen
besetzt ist, von goldenen Filigranzierathen jener Stilart, die an die Übergangszeit erinnert
und bei der Ausschmückung der Knäufe und Capitäle in der frühen Gothik erscheint, bedeckt
und die Unterseite des Kreuzes ist mit byzantinischem cloisonirtem Email, das viel älter als
das Kreuz selbst ist, besetzt. Obgleich die Benützung des Emails byzantinischer Provenienz in
Böhmen nicht ungewöhnlich wäre, so kann sie doch in diesem Falle auch anders leicht erklärt
werden, da sich Zävis mit der Königinwitwe Kunigunde, welche russischer Abstammung
war, vermählt hatte. Auch nach Ottokar II., dem „goldenen König", hat sich ein Denkmal
der Goldschmiedekunst erhalten: ein mit Edelsteinen und Email reichgeschmücktes, in
Regensburg befindliches Kreuz, das die Aufschrift trägt: „Hex Oltoearrm irre leeit."
Vollends kommt der gothische Stil bei kleineren Gegenständen in: Anfang des XIV. Jahr
hunderts zum Durchbruch; am Stabe der Äbtissin Kunigunde von St. Georg aus dem
Jahre 1303 äußert er sich ebenso wie in den Miniaturen des Passionales derselben Fürstin,
in welchem sie auf dem ersten Blatt mit dem Stabe in der Hand auf einem gothischen
Throne sitzend abgebildct ist. Als Königstochter ist sie mit einer in Lilien auslanfenden
Krone gekennzeichnet. Vor kurzem wurden nun dem Grabe des Habsburgers Rudolf, der
als böhmischer König im Jahre 1307 starb, Insignien entnommen, die jetzt in dem
Schatze des St. Veitsdoms aufbewahrt werden, und unter denselben befindet sich eine
ganz mit punzirten Ornamenten geschmückte Krone, welche dieselbe Form aufweist.
Ungewöhnlich prachtvoll war das Grabmal des heiligen Adalbert, welches aus
Gold und Silber der Bischof Johann von Drazitz im Jahre 1305 für den St. Veitsdom