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Bei Würdigung der physischen Beschaffenheit der Bewohner Mährens können
auch ethische und sonstige psychische Verhältnisse nicht unberücksichtigt bleiben, so das
Religionsbekenntniß, da die Bevölkerung in Mähren ungefähr 2 Procent Israeliten
in sich begreift, welche insbesondere in der Stadt Ungarisch Hradisch und den übrigen
Städten mit eigenem Statut, dann in den Bezirken Gaya, Göding, Nikolsburg, Ungarisch-
Brod, Wischau, Proßnitz, Kromau, Weißkirchen in einzelnen Städten in größerer Zahl
angesiedelt sind, so daß sie im Bevölkernngstypus selbst eine bemerkbare Gruppe bilden.
Mit Rücksicht auf den Bevölkerungstypus ist weiterhin das Verhältniß der
Nationalitäten im Lande, der deutschen und cechoslavischen von großem Belange,
da ungeachtet einer überall im Lande wahrnehmbaren, seit Jahrhunderten fortlaufenden,
in ihren Wirkungen vielleicht sehr ersprießlichen Racenkreuznng die physischen National
charaktere in den ursprünglichen Ansiedlungsgebieten beider Nationalitäten nicht zu
verkennen sind.
Der deutsche Sprachstamm, der mit 665.000 Köpfen dem cechoslavischen mit
1,590.000 Seelen im Verhältniß von 3: 7 gegenübersteht, theilt sich in einen stärkeren
nördlichen, von Schlesien nach Mähren hereinragenden Zweig, den Sudetenstamm,
und in einen schwächeren südlichen Zweig, der ein Theildes über die niederösterreichisch
mährische Grenze reichenden baierisch-österreichischen Sprachstammes ist, von
dieser Grenze als Grundlinie keilförmig gegen die Landeshauptstadt Brünn zu vordringt
und hier fast die deutsche Sprachinsel von Brünn und Hingebung erreicht.
Die Angehörigen des Sudetenstammes, gemeinhin „Gebirgler" genannt, stellen
eine meist mittelgroße, hagere, aber abgehärtete, ausdauernde, betriebsame, ernste
und sparsame Bewohnerschaft dar, welche die Gebirgslandschaften der Sudeten und
weiter nach Osten das malerische Kuhländchen mit dem Hauptorte Neutitschein besiedelt,
dessen Bewohner wegen ihres lebhaften, unternehmenden, zu Industrie und Handel
geschickten Naturells einen weitverbreiteten Ruf genießen.
Die Mitglieder des südlichen deutschen Sprachstammes unterscheiden sich von
jenen des nördlichen bei gleichem ernsten und arbeitsfreudigen Wesen durch ihre meist
untersetzte, breitschulterige, wohlgenährte physische Beschaffenheit, sowie durch ein
ausgeprägtes individuelles, nicht selten streitlustiges Selbstgefühl, verbunden mit der
Neigung znm behäbigen Lebensgenüsse.
Auf diese physische und psychische Anlage nimmt der von ihnen in vielen Gegenden
betriebene Weinbau und der Weingenuß, sowie die kräftige Ernährung mit animalischen
Nahrungsmitteln ersichtlichen Einfluß, während sich viele der Bewohner der Gebirgs
gegenden des Nordens vorwiegend mit vegetabilischer Brot- und Kartoffelnahrnug (Hafer
brot), ergänzt durch Milch und Käse, begnügen müssen.