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Erinnerung an den uralten Naturdienst sich erhalten hat. Weisen schon manche Gebräuche
in der Zeit des Weihnachtskreises darauf hin, so ist die Zeit des herannahendeu Oster
festes eine Zeit ungestümer Sehnsucht nach dem Frühling, nach Wärme und Licht. Dies
drückt sich durch eine ganze Reihe tiefsinniger Gebräuche aus, die in bestimmter Reihenfolge
von Sonntag zu Sonntag aufeinander folgen bis zum Ostermorgen selbst, der als der
wahre „Erlösungsmorgen" festlich begrüßt wird.
Am vierten Sonntag vor Ostern („oonli") wird der „Tod ausgetragen",
weshalb der Sonntag der Todsonntag genannt wird. Die Jugend von 12 bis 20 Jahren,
zumeist die männliche, verfertigt eine große Strohpuppe, steckt sie in ein altes, unbrauchbar
gewordenes Gewand, markirt das Gesicht durch eine Larve und trägt diese den Tod
vorstellende Gestalt nachmittags hinaus aufs freie Feld (Deutsch-Jassnik, Seckendorf).
Dort angelangt tanzt die ganze Gesellschaft um die auf den Boden niedergelegte Puppe
umher, schreit, singt und heult. Endlich fallen alle über die Puppe her, zerbrechen, zerreißen
sie in kleine Stücke und machen dann ein Feuer an, welches die Reste der Gestalt
gänzlich verzehrt. An anderen Orten wird der „Tod" ins Wasser geworfen, das ihn mit
sich fortreißt und fortschwemmt. So ist der Tod „ausgetrieben", er hat keinen Stachel
mehr, und ein neues Leben beginnt.
Nichts anderes als die Freude über das allmälige Wiedererwachen der Natur
drückt der in ganz Nordmähreu verbreitete Gebrauch des „Maigehens" aus. Er findet
am dritten Sonntag vor Ostern („Imtaro", daher auch „Lätaregehen") statt. Je drei
Mädchen finden sich zusammen. Es ist natürlich, daß sie sich aus diesem Anlaß in
ihren besten Staat werfen. Eine derselben trägt den Maibaum (die „Maie", wovon
der Name „Maigehen"). Er wird durch den Gipfel einer kleinen Tanne oder Fichte
gebildet. Die Äste sind häufig nach unten gebogen und au den Stamm gebunden, das
Ganze ist mit bunten Papierstreifeu, Blumen, gefärbten Eiern u. s. w. geschmückt. Mit
der „Maie" ziehen nun die Mädchen von Haus zu Haus und singen ihr Sprüchlein.
So singen sie im „Gesenke":
„Dan Summer brenga m'r holte,
Wir danka, lieba Loite,
Es guckt jo aus dam Haus
A schinne Jungfer raus;
Werd sich wohl bedeuka
Im Schvnhengstcr Land singen sie:
„Maie, Maie, smnmergrün,
Die lieben Engelein singen schm,
Sie singen olle zugleiche
Bis ins Himmelreiche.
Und uns cn Gobe schenka,
Werd se a Juhr ei Freuda laba,
Ei Frenda onn ei Ehra
Gott werd se jo Wieda bescher«."
Klane Fischeln, grusse Fischeln
Schwimmen aufm Teiche;
Weiße Rosen, rothe Rosen
Wochs n ans dem Sträuche;