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Trachten und Ortsanlagen. — Die heutige Volkstracht entstand ans einem
Compromiß zwischen den Traditionen der Vergangenheit und den Forderungen der neuen
Mode, wobei die letztere den entschiedensten Sieg davongetragen hat. Nur wenige Spuren
der altehrwiirdigen Art, sich zu kleiden, sind zurückgeblieben. Es lohnt aber wohl der
Mühe, den Blick in die alte Zeit hinüberzulenken und die Tracht der Vergangenheit in
kurzer Schilderung festzuhalten.
Im Schvnhengster Gau trug vor 50 Jahren der Bauer einen sehr malerischen
Anzug. Den Körper bedeckte ein bis zu den Knöcheln reichender brauner oder viel häufiger
noch blauer Tnchrock mit großen Metallknöpfen; die Hose war eng, ans Hirschleder gefertigt
und an den Knieen mit Riemen an die blauen oder grauen Strümpfe befestigt; die Füße
steckten in schnallengeschmückten Schuhen. Die Brust bedeckte eine rothe Weste mit Schößen.
Da der erwähnte lange Rock eigentlich ein Paradestück war, das man nur Sonntags beim
Kirchengang oder sonst bei festlicher Gelegenheit trug, so hatte der Bauer für den
gewöhnlichen Bedarf einen „Spenser", den er über die Weste anzog, ein Kleidungsstück,
das sich von der Weste eigentlich nur dadurch unterschied, daß es Ärmel hatte. Im Sommer
genügte dem Mann häufig genug die Weste allein. Geradezu eine Merkwürdigkeit war
die Kopfbedeckung. Sie war aus Pelzwerk, und zwar nicht aus dem schlechtesten, häufig
aus Fischotterfell, angefertigt. Wegen ihrer Gestalt führte sie auch den Namen „Schemel
mütze". Sie bestand nämlich im Wesentlichen ans einem grünsammtenen Käppchen, das
mit Pelz verbrämt war, allein die eine Hälfte der Verbrämung ragte hoch empor; „Feuer-
maner" nannte sie der Volkswitz. Daneben sah man auch Kopfbedeckungen von durchaus
cylindrischer Form, gleichfalls aus Pelzwerk, vielfach anS Lampelfell, von der Höhe eines
modernen Cylinderhntes, seitwärts mit drei bis vier rothen oder blauen Seidenmaschen
geschmückt. Später und theilweise schon zur gleichen Zeit erscheint der unschöne breitrandige,
grobfilzige, schwarze Hut, den die Alten mitunter mit Quasten, die Jungen aber mit
Bändern und Blumen zierten.
Die Gewandung der Bäuerin besteht aus nachfolgenden einzelnen Theilen. Über
das rund um den Hals schließende Hemd wird am Festtage, wenn es gilt, Staat zu
machen, das „Hempel" (Hemdchen), ein nur bis an die Hüften reichendes Kleidungsstück
aus feinerem Linnen mit Puffärmeln und Krauskragen (auch ohne diesen), ungezogen.
Zu sehen bekommt man davon eigentlich nur die Pnffärmel; sie sind die Hauptsache daran
und es ist eine ernstliche Sorge der Mädchen, sie in stolzester Schönheit erglänzen zu
lassen. Aus ihnen erkennt man, wie jene mit Wäsche und Bügeln umzugehen wissen. Über
dieses Oberhemdchen kommt das miederartige, mit Achselbändern versehene „Leibel", das
in seiner Ausstattung auf die Wohlhabenheit der Besitzerin einen Schluß ziehen läßt. Es ist
nämlich entweder von Wolle oder von Seide, entweder mit einfachen Schnüren geschmückt