658
Schweinezucht besteht - von ganz wenigen Züchtereien abgesehen — im westlichen
Schlesien eigentlich keine, sondern nur Schweinehaltung. Die meisten Thiere werden im
jugendlichen Alter aus Galizien importirt und in den Haushaltungen des Landmanns
großgezogen.
Als Nebeugewerbe der Landwirthschaft und mit derselben in engster wechselseitiger
Beziehung stehend, nimmt auf größeren Besitzungen die Erzeugung von Spiritus aus
Kartoffeln und Getreide eine hervorragende Stelle ein. Auf jenen Flüchen, die für
Rübenbau nicht rentiren, kann die Kartoffel als Hackfrucht vortheilhaft eintreten. Der
Hackfruchtbau fördert im Allgemeinen die mechanische Bearbeitung des Bodens, und die
Verarbeitung der Kartoffel zu Spiritus gibt durch die Schlempe, die ein vorzügliches
Futter ist, dem Ackerboden alle werthvollen Pflanzennährstoffe wieder zurück. Der
gewonnene Spiritus tritt daun an die Stelle einer Marktfrucht. Leider ist infolge der
Bestenerungsverhältnisse und der wachsenden Bedeutung des Großbetriebes die Anzahl der
landwirthschaftlichen Brennereien in Schlesien von 130 auf 80 gesunken.
Ostschlesien. — So verschiedenartig als die Terrainformation im östlichen
Schlesien, ist auch die Bodencultur in diesem Landestheile. Die natürlichen Vorbedingungen
für die landwirthschaftlichen Verhältnisse sind vorwiegend ungünstige. Das Land ist gegen
Norden und Westen offen, gegen Osten und Süden durch eine im Mittel 1.000 Meter
hohe Gebirgskette abgeschlossen, welche gleichsam einen Wall bildet, an dem sich die aus
Nordwesten kommenden Regenwolken stauen und ihren Inhalt über Ostschlesiens Hügel
land und Niederung ergießen. Das Klima wird dadurch feucht und rauh und die jährliche
Niederschlagsmenge eine so außerordentlich große, daß das östliche Schlesien zu den
regenreichsten Ländern der Monarchie zählt. Ein ziffermüßiger Vergleich mit dem
benachbarten mährischen Flachlande mag die Niederschlagsverhaltnisse am deutlichsten
veranschaulichen. Während die jährliche Niederschlagsmenge Mährens nach einem aus
Grund umfassender Beobachtungen gewonnenen Durchschnitt 517 Millimeter beträgt,
erreicht sie im östlichen Schlesien die Höhe von 992 Millimeter. Dem entsprechend ist
auch das Verhältuiß der regenfreien Tage zu den Regentagen; nach mehrjährigem
Durchschnitt zählt das Jahr in Mähren 128, in Ostschlesien 162 Tage mit Nieder
schlägen. Die großen Regenmengen sind um so nachtheiliger, als der Boden zumeist
ein schwerer, undurchlässiger Letten mit nur sehr seichter Ackerkrume (15 bis 25 Ceuti-
meter) ist. Eine Ausnahme machen die Flußthäler; die Alluvion besteht daselbst aus
ciuer stärkeren Humnsschichte, die auf durchlässigem Schotter gelagert ist; es sind dies
die fruchtbarsten Landstriche, in denen die Ernte selbst in nassen Jahren nicht wesentlich
leidet, ^m Allgemeinen werden die besten Ertrüge in trockenen Jahren erzielt, während
die leider nur zu oft auftretenden nassen Sommer der Hauptsache nach stets Mißernten