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Internationale S'ammler-Zeitung 
Nr. 5 
verzeichnet. Ich nenne eine stattliche Serie kost 
barer Holzschnitt-Inkunabeln, an die sich bemerkens 
werte anonyme Blätter aus wenig späterer Zeit an 
schließen. Die Dürer-Zeit stellt fraglos das Haupt 
kontingent künstlerisch hochstehender Schnitte. Eine 
so umfangreiche Sammlung von Clair-obscurs dürfte 
2)r. !ßit6ert 
84jährig ist am 22. Februar in Wien Dr. Albert 
F i g d o r gestorben. Einem alten Patriziergeschlecht 
entstammend und mit Glücksgütern reich gesegnet, 
war und wollte Figdor nichts anderes sein, als Samm 
ler, aber nannte man die Größten auf diesem Gebiete, 
so ward wohl in erster Linie sein Name genannt. 
Sein Heim in der Löwelstraße war eines der interes 
santesten und wertvollsten Privatmuseen der Welt. 
Was Dr. Figdor sammelte?! Man ist rascher mit 
der Antwort zur Hand, wenn man sagen soll, was er 
nicht sammelte. Von Waffen und Briefmarken viel 
leicht abgesehen, war ihm keine Liebhaberei fremd; 
jede kultivierte er mit größter Intensität und zeigte 
durch sein Beispiel, daß es letzten Endes mehr darauf 
ankommt, w i e man sammelt, als was. Indem er in 
alles System brachte, hat er an sich Wertlosem oder 
Geringwertigem Bedeutung verliehen. Was ist e i n 
Strumpfband? Aber wenn man Strumpfbänder aller 
Epochen sammelt, schafft man eine kulturhistorisch 
wertvolle Sammlung. Und so verfuhr er, um aus der 
Fülle seiner Spezialsammlungen nur einiges heraus 
zugreifen, mit Hausschlüsseln, Holztafelkalendern, 
Handwerkergeräten, Beleuchtungsgegenständen, 
Eisenarbeiten, Spielkarten, Schreibtafeln und vielen 
anderen Dingen, die er zu Sammlungen gestaltete, 
die ihm Anregung und Belehrung boten, dem Kultur- 
historiker wichtiges Material schufen. So ist z. B. eine 
Monographie über Zahnstocher erschienen, zu der 
seine Sammlung den Stoff geliefert hat. 
lieber diesen Sondersammlungen hatte Dr. Figdor 
aber nicht den Sinn für das Große verloren und so 
finden wir in seinen Sammlungen neben nord- und 
südländischen Primitiven Bilder moderner Meister, 
nebenBronzen altflorentinischeBrauttruhen, gotisches 
Mobiliar, Altwiener Glückwunschkarten, Kacheln, 
Keramik, Zinn, -Epitaphe des 16. Jahrhunderts, 
Familienchroniken, Stamm- u. Wappenbücher, Siegel, 
Autographen etc. etc. 
Unter seinen Bildern befindet sich ein Giovanni 
de Paolo, genannt del P o g g i o, „Schweigender 
Bischof“, Girolamo da Santa Croce „Segnender 
Heiland“, Pietro da Feit re : Männliches Brustbild 
(von 1509), ein Bastiano Mainardi „Der hl. Eusta 
chius in einer' Landschaft“, ein Bildnis des Kaisers 
Maximilian I. in der Art des Sanders van Hemessen, 
Besuch im Pachthof von Peeter Brueghel dem Jün 
geren, Schule der Provence, 15. Jahrhundert: „Ver 
suchung eines Heiligen“. Die seltenen Meister Dirck 
Bouts, Geertgentot Sint Jans sind vertreten; ferner 
die Werkstatt des Gerard David, Quinten Matsys, 
Marinus van Roymerswale; Meister der weiblichen 
Halbfiguren; kleines Tryptichon, sogar ein Hierony 
mus Bosch ist da; die niederrheinische, westfälische 
Schule vom Anfang des 16. Jahrhunderts zeigt eine 
„Maria im Rosenhag mit vier musizierenden Engeln“; 
die Schulen von Konstanz, die schwäbische und die 
Regensburgerschule, die sogenannte „Donauschule“, 
fehlen nicht, frühe Oesterreicher sind vertreten, 
darunter Rueland Früauf. Von Waldmüller findet sich 
unter vielen anderen das Hauptwerk „Kronprinz 
kaum je zusammen ausgeboten worden sein. Für den 
Kulturhistoriker gibt es sehr reiches Material unter 
Flugblättern, Kalendern, Druckermarken, Spielkarten 
usw. und den Hintergrund zu allem Genannten bildet 
die breite Masse der Buchillustrationen, die meist zu 
wertvollen Sammelnummern vereinigt wurden. 
SFigdor "J*. 
Alexander (II.) von Rußland empfängt in der Wiener 
Hofburg Metternich, Kolowrat, Colloredo und andre.“ 
Von der Hand Grafs besaß Dr. Figdor das Bildnis 
Josef Haydns, und Schneliers Brustbild Goethes war 
ebenfalls in seinem Besitz. Kriehuber, Fendi, Rudolf 
Alt sind reich und glänzend vertreten, wie die. großen 
Miniaturisten Füger, Daffinger, Agrikola, die Theer, 
Anreiter und Saar. Figdor hatte nämlich die löbliche 
Sammlergewohnheit, mit der Erwerbung aller dieser 
köstlichen Dinge nicht erst zu warten, bis der gesamte 
Weltmarkt auf sie aufmerksam geworden war, son 
dern sie vorausblickend, zu erschwinglichen Preisen 
in seinen Besitz zu bringen. 
Unter den Skulpturen prangt ein Spiegelrahmen 
von Luca della R o b b i a aus weißglasiertem Ton mit 
Cherubim. Die Sammlung der deutschen Holzskulp 
turen ist ganz außerordentlich: Art des Veit Stoß, 
Art des Tilmann Riemenschneider, Art des Michael 
Pacher! Unter den Bronzen ist ein oberitalienischer 
dreieckiger Leuchtfuß aus dem 15. Jahrhundert mit 
Putten. Ricci os „Satyrweibchen“ ist eine Perle; 
nicht minder bedeutend sind Donners Bleistatuet 
ten. Glocken und Mörser des 15. Jahrhunderts sind 
viele vorhanden, und die Plakettensammlung ist fast 
unerschöpflich an Seltenheiten. 
Die kunstgewerblichen Gegenstände reichen von 
der altchristlichen Zeit bis ins 16. Jahrhundert hinein. 
Unter den Arbeiten der Goldschmiedekunst befindet 
sich die Hausapotheke des-Papstcs Paul V., Borghese. 
Die Glassammlung ist so reich an außerordentlichen 
Seltenheiten, wie die Abteilung Edelzinn. In der kera 
mischen Sammlung sind italienische Majoliken, deut 
sches Steinzeug, Hafnerkeramik wundervoll vertreten. 
Die reiche. Textiliensammlung birgt einen Wand 
teppich mit Schimären aus Neustift bei Brixen, 14. 
Jahrhundert. Persersamte, Perser- und Polenteppiche 
des 16. und 17. Jahrhunderts sind vorhanden. Die 
Kostümsammlung, Hauben, Kleider, Schuhe, Hand 
schuhe, Spitzen, ist wieder ganz außerordentlich. Die 
Sammlung von Möbeln des Mittelalters und der Re 
naissance ist eine der bedeutendsten Kollektionen in 
dieser Art. 
Es ist kaum zu übersehen, was an guten, schönen 
und großen Dingen da ein Einzelner zusammenge 
bracht hat. 
Das Schicksal der Sammlungen ist noch ungewiß. 
Vor Jahren, Oesterreich war noch eine Monarchie, 
gab Dr. Figdor die Absicht kund, sie dem Kaiser 
hause zu vermachen, wenn sie in ihrer Gesamtheit in 
einem „Figdor-Zimmer“ im kunsthistorischen Hof 
museum Aufstellung fänden. Der Hof wollte die 
Schenkung unter dieser Bedingung nicht akzeptieren. 
In einem Institute der Habsburger könnte, so lautete 
der unglaubliche Bescheid, kein Zimmer nach einem 
Privaten benannt werden. Dr. Figdor kam infolge 
dessen von seinem Plane ab und vermachte einen Teil 
der Sammlungen seiner Nichte, Frau Margarethe 
Walz, der Gemahlin des Oberbürgermeisters von 
Heidelberg, Dr. Walz. Im Interesse dieser Nichte be 
mühte sich Dr. Figdor auch die Sperre über die
	            		
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