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muß es angesehen werden, ähnlich wie Sabiona am Eisack; Valentinus, der Apostel des
Vintschgaues, der im V. Jahrhundert n. Ehr. wirkte, hat in der Nähe seine Grabstätte
gefunden. In den Wundergeschichten, die sich daran knüpfen, wird zum ersten Mal die Passer
(Passeris) erwähnt und erscheint auch diese Gegend als eine der blühendsten des Landes.
Im oberen Vintschgau tritt die Umgebung von Mals hervor. Hier wurde eine
römische Inschrift gefunden; das Thal von Amatia, das heutige Matsch, gilt in der Über
lieferung als die Geburtsstätte des alten Heiligen der churrhätischen Lande, des Florinus.
Endlich finden wir den Übergang über das Wormser Joch nach den Gebieten von Comnm
(das ist Como) und Mediolanum (das ist Mailand) seit den ältesten Zeiten in Verwendung.
Daß sich das Gebiet der Venoster auch nach dem Oberlauf des Inn, dem heutigen
Engadin, erstreckte, geht aus den für die nachrömische Zeit bekannteren Verhältnissen
hinlänglich hervor. Die Entwicklung erlitt eben hier durch keinerlei „Völkerwanderung"
eine Unterbrechung. Bemerkenswerth ist, daß in der spätrömischen Periode die Straßen
station Curia (Chur) zum Mittelpunkt des ganzen südwestlichen Rhätiens, demgemäß auch
für die Vintschger herangedieh, was auf kirchlichem Gebiete bis in unser Jahrhundert
nachwirkte. Die Etsch abwärts hatte man Verkehr mit Tridentum und weiter nach Italien,
wo für die alpinen Producte, den Viehnutzen und das Holz, willkommene Absatzplätze sich
eröffneten. Bis nach Rom selbst erstreckte sich da der Handel. Auch von der Organisation
der Venoster in der römischen Zeit sind wir nicht näher unterrichtet, doch ist neben den
Gauverbänden ohne Zweifel auch der Familienverband ein sehr fester gewesen, sonst hätte
er nicht alle Stürme der Zeit so tapfer überstanden.
Im Übrigen drehen sich die Geschicke dieser Alpenstämme durchaus um die große
Verkehrsader, die durch Val Sugana vom Po an die Donau führte, die sogenannte via
(llanckia ^.nAnZta, die bereits unter Augustns von Drusus angelegt, aber erst von des
letzteren Sohn, dem Kaiser Claudius, ausgebaut wurde, wie die Aufschriften einiger
Meilensteine uns vermelden. Einer davon (jetzt im Sarntheingarten zu Bozen) wurde
bei Partschins ober Meran gefunden und zeigt, daß der eine Zweig der via Oianäia
tk.uAusta hier durchführte, während der andere den Brennerpaß überschritt. Der Endpunkt
der Straße war Augusta Vindelicorum, das über den Fernpaß sowohl als auch über
Scharnitz (Scarantia) und Partenkirchen (Partanum) erreicht wurde. Für die Straße über
den Brenner sind uns nicht wenige Meilensteine erhalten, welche die Namen der Kaiser
nennen, die für ihre Herstellung etwas gethan haben. Am häufigsten erscheint bei uns
Septimius Severus, so auf dem neuerdings unfern der Bahnstation Freienfeld (südwärts
von Vipitenum) zu Tage gekommenen Meilenstein, dessen Fundort den Beweis liefert,
daß dort die Straße vom linken Ufer des Eisack auf das rechte übertrat. Ein anderer
Meilenstein wurde bei Lueg am Brenner gefunden, ferner mehrere auf der Strecke von