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den meisten Gegenden des Landes zurückzugehen, wie die Benennungen schließen lassen.
So führen alle Gemeinden in dem Gebiete vom Zillerfluß bis zum Pigerbach den Namen
Oblei, der offenbar von den Giebigkeiten der Bewohner des Bezirkes an die darinliegende
Kirche herrührt. Theilweise denselben Namen, noch häufiger aber den Namen Malgrei
haben die Unterabtheilungen der Gemeinden des ganzen Eisackgebietes, des größten
Theiles des Pusterthals mit Ausnahme des Jselgebietes und des oberen Etschlandes; im
Vintschgau und in der Meraner Gegend heißen sie Techneien (Decaneien), zwei ebenfalls
alte Namen, von denen der erstere sichtlich auf die ältesten wirthschaftlichen Verhältnisse
hinweist, beide aber entschieden im Mittelalter kirchliche Unterabtheilungen bezeichnen, als
deren Mittelpunkte Kapellen erscheinen. Den größten Einfluß erlangten jedoch die kirch
lichen Verhältnisse der Romanen auf die religiösen Anschauungen der Germanen; denn
bei dem engen Zusammenleben mit der schon seit Jahrhunderten christlichen romanischen
Bevölkerung und bei dem Bestände einer festen kirchlichen Organisation mußten sie,
obwohl sie zum größeren Theile noch Heiden und znm geringeren Theile Arianer waren,
rasch für das Christenthum gewonnen werden. So vertauschten die im Lande wohnenden
Bajuvaren wohl bedeutend früher den Wuotans-Cult mit der Verehrung des Gekreuzigten
als ihre Stammgenossen in der baierischen Ebene, und die Langobarden traten bekanntlich
noch am Schlüsse des VI. Jahrhunderts vom Arianismus zum Katholicismus über. Am
längsten blieben die ins östliche Pusterthal eingcwänderten Slaven ihren heidnischen
Göttern treu, denn von ihrer Bekehrung ist erst im letzten Viertel des VIII. Jahrhunderts,
bei Gelegenheit der Gründung des Klosters Jnnichen (772), die Rede. Daß die Romanen
nicht noch größeren Einfluß auf die neue Bevölkerung erlangten, hat einmal in deren
Lostrennnng von ihren Sprachverwandten in Italien und dann in dem Zusammenhang
der Germanen mit ihren Stammesbrüdern außerhalb des Landes seinen Grund, Venn
während noch unter den gothischen Heerkönigen alle Larrdestheile denselben Herrn wie
Italien gehabt hatten, bildeten jetzt die von den Bajuvaren besetzten Thäler Tirols einen
Bestandtheil des Herzogthums Bajuvarien, zu dem in der Folge auch die slavrschen
Theile des Pusterthals kamen, wogegen die von den Langobarden eingenommenen Striche
Südtirols dem longobardischen Königreich als Herzogthum Orient einverleibt wurden,
Vintschgau aber mit Churrhätien in engerer Verbindung blieb. Diese Theilung des Landes
hatte für die Entwicklung der ethnographischen Verhältnisse die wichtigsten Folgen. Die
Langobarden begannen mit den viel zahlreicheren Romanen zu einem Volke, den Italienern,
zu verschmelzen, dagegen behaupteten die Bajuvaren nicht nur ihre Nationalität, sondern
singen auch an, die ihnen unterworfenen Romanen zu germanisiren.
Für die Kenntniß des germanischen Alterthums in Tirol ist erst jüngst eine neue
gleichzeitige Quelle in dem Reihengräberfeld von Civezzano, einem Dorfe östlich von