148
seine Hände. Und doch hatten alle Adelsgeschlechter vor hundert Jahren noch in den
Banden der Unfreiheit gestanden! Aber die Kämpfe Meinhards II. mit den Landesbischöfen
und die geringere Thatkraft seiner Söhne hatten ihre Macht fortwährend gefördert, und
jetzt waren sie ein vollständig freier Adel und standen dem Landesfürsten in zwei Rang-
classen geschieden, als Landherren und Ritter gegenüber. Neben dem Adel hatte aber noch
ein anderer Stand im Laufe des XIII. und in den ersten Jahrzehnten des XIV. Jahr
hunderts fortwährend sich gehoben, nämlich der Bürgerstand, denn zu den wenigen
Städten, die ans früherer Zeit stammten: Trient, Bozen, Brixen, Klausen, gesellten sich
mehrere neue, als: Innsbruck, Meran, Sterzing, Hall, Glurns, Rovereto, Riva und
andere, stets begünstigt und mit mancherlei Freiheiten beschenkt von ihren Herren.
König Heinrichs Schwiegersohn und Nachfolger, Johann Heinrich von Böhmen,
verlor Kärnten an das Haus Habsburg, aber Tirol behauptete sein Bruder Karl, der ihm
in der Regierung beistand, im Kampfe gegen den Kaiser und die Herzoge von Österreich.
Doch dessen kräftiges Auftreten und die Verwendung von Böhmen in Landesämtern wider
die gegebene Zusicherung machte den tirolischen Adel unzufrieden und Heinrichs per
sönliche Schwäche und Roheit entfremdete ihm seine Gemalin Margarethe Maultasch.
So verbanden sich beide zur Vertreibung ihres Herrn, die nach einem fehlgeschlagenen
ersten Versuche gelang, und Margaretha reichte des Kaisers Sohn Markgraf Ludwig von
Brandenburg die Hand, indem sie ihn im Einverständnisse mit dem Adel zum Landesfürsten
erkor. Da aber auch dieser trotz seiner feierlichen Versicherungen nichttirolischen Adeligen
wichtige Ämter, selbst das eines Landeshauptmanns, der ihn in seiner Abwesenheit zu ver
treten hatte, übertrug, so wurde der Landesadel über den Regierungswechsel bald wieder
mißvergnügt und unterstützte im Verein mit den Bischöfen von Trient und Chur einen
Einfall Karls von Luxemburg in das Land, der durchs Etschthal siegreich bis zum Schlosse
Tirol vordrang, dasselbe belagerte und die Städte Meran und Bozen einäscherte. Allein
Margaretha's tapfere Vertheidignng in ihrer Stammburg während der Abwesenheit des
Gemals, dessen Rückkehr, eine Niederlage des Bischofs von Chur zu Tramin und der
Abfall des tirolischen Adels bewogen Karl bald wieder zum Abzug, und nun hielt Ludwig
strenges Gericht über den unbotmäßigen Adel. Fortan wagte dieser ungeachtet Ludwigs
häufiger Abwesenheit keinen Aufstand mehr und auch Bürger und Bauern hielten treu zu
Ludwig, obwohl er wegen seiner Ehe mit Margaretha und seines Verkehrs mit dem
gebannten Kaiser ans der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und das Jnterdiet über das
Land verhängt war. Der Bauernstand tritt jetzt zum erstenmal mehr in den Vordergrund,
nachdem sich die Bande seiner Unfreiheit schon sehr gelockert hatten.
Da Ludwig und Margaretha nur einen kränklichen Sohn hatten, so suchten Herzog
Albrecht II. von Österreich und dessen Sohn Rudolph IV. ihre Gunst und wußten, indem