MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Tirol und Vorarlberg

340 
die lateinische Volkssprache in dem heutigen Wälschtirol, als es eine römische Provinz 
geworden war, so schnell festen Fuß gefaßt hat. 
Von einer weitverbreiteten und starken Latinität im alten tridentmischen Gebiete 
geben auch die vielen dort aufgefundenen Inschriften Zeugniß. Das Verhältniß, in 
welchem sich das älteste oder rhätische Element mit dem Lateinischen vermischte, war ungleich 
je nach der Verschiedenheit der Gegenden und der Umstände. So widerstand in Mittel- 
rhätien das alte Element zäher als im heutigen Wälschtirol, und auch hier konnte der 
römische Einfluß nicht überall dieselbe wirkende Kraft üben. In der Nähe der römischen 
Standlager und Heerstraßen, wie im Etschthal und Suganathal, war die Wirksamkeit des 
römischen Einflusses schneller und stärker, hingegen langsamer in den Thälern des Sarca, 
des Noce und des Avisio. Wie es sich aber auch damit verhalten mag, immerhin dürften 
bei der Berührung mit den angrenzenden Gebieten Italiens die einheimischen italienischen 
Mundarten von Südtirol sich gleichzeitig mit den anderen Mundarten Italiens entwickelt 
haben. So kam es, daß die wälschtirolischen Dialecte, wie sie gegenwärtig ansgebildet 
sind, die Mitte zwischen den lombardischen und den venetianischen Sprecharten halten, 
obgleich sie sich mehr den letzteren nähern. 
So hat z. B> der Roveretaner Dialect die häufige Veränderung des betonten a in 
der Nennwortsnachsilbe -arins (italienisch -ario, -ajo, -ioro) in 6 mit der venetianischen 
Mundart gemein, so: t'orrör (Schmied), rnnror (Maurer), rnolinör (Müller), ponrör 
(Apfelbaum) u. s. w., während in dem Trientner Dialect diese Wörter korrär, mni-ar, 
inollnär, poinar u. s. w. lauten. Die roveretanische Sprechweise hat mit der venetianischen 
auch die Ausstoßung des Zahnlautes ck zwischen zwei Vocalen gemein, z. B. llattüa 
(Schlag), bsvüa (ein rechter Trunk), pröa (Stein) u. s. w., während der Dialect von 
Trient die entsprechenden Wörter dattüäa, bevüäa, pröäa u. s. w. gebraucht. Der 
Trientner Dialect ist überdies weniger wohlklingend als der von Rovereto und hat viele 
Endconsonanten, Betonungen und Laute, welche den lombardischen Mundarten gleichen. 
Mehr oder weniger, je nach der Verschiedenheit der Orte und am meisten in den 
Thälern des Avisio und des Noce, beobachtet man in den Mundarten Wälschtirols sowohl 
in der Form als im Laute rhätoromanische Spuren. Man beachte hier nur, um wenigstens 
die Hauptmerkmale des ladinischen Gepräges anzuführen, welche den echt italienischen 
Dialecten fremd sind: a) den Übergang der lateinischen Kehllaute cm und ga in die 
entsprechenden Gaumlaute 6a, ga (sprich: tsolla und äsclla): easa (Haus), vaäa (Kuh), 
gal, italienisch gallo (Hahn), und insbesondere in die dem Nocegebiet eigenen Palatal 
laute ea und ga (t^a, clzm): eaval, italienisch cmvallo (Pferd), äagtol, italienisch eastollo 
(Schloß), öarckar, italienisch eantars (singen), lsgain, italienisch legairw (Band); b) die 
Auflösung des 1 in n in den Formeln alil, alt u. s. w.: eancl (sprich: eiäuck), italienisch
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.