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Ennebergs zu ü, also ennebergisch lü (tu), plü (plus), sü (susum), äür (ckurum), seüi-
(ob-sourum).
Schon auv diesen nur skizzenhaft angedeuteten Erscheinungen auf dem Gebiete
des Vocalismus im Ladinischen kann man den Mangel gemeinladinischer Lautgesetze
ersehen; die lautlichen Sprach Verhältnisse wechseln meist von Thal zu Thal, finden aber
trotzdem ihre besondere Erklärung in den speciellen phonetischen Lautregeln, welche mit
großer Strenge von allen einzelnen Mundarten beobachtet werden. Bezüglich des Konso
nantismus erwähnen wir vor Allem die dem Französischen und Proven^alischen gemeinsame
Palatalisirung des romanischen ca, ^ als eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien
zwischen dem Ladinischen und Italienischen, doch sind die einzelnen Abstufungen der
Palatalisirung (elua, ssia; eia, ^a, a) wieder verschieden nach den einzelnen Thälern und
ist in der Regel im Ladinischen der palatale Laut auf den betonten Vocal beschränkt,
während im Französischen die Betonung bekanntlich hierbei nicht in Betracht kommt: für
Tirol haben wir ea -- alua in Nonsberg, Vigo, Gröden, Enneberg, Buchenstem, daher
ciincbergisch ekilasa (easa), elüar (earrus), ckliar (earnoiu und oarum); ea — eia in
Oberfassa und Ampezzo, dagegen ea ----- ea in Sulzberg durch italienischen Einfluß;
lateinisch * ssatlus ergibt Amt, in Nonsberg, Vigo, Oberfassa, Gröden, Enneberg (doch )-s!
im nördlichen Theile), Buchenstem, Lato in Ampezzo und ^at in Sulzberg; lateinisch
paoare heißt paie in Enneberg und Buchenstem, paiä in Gröden, paiar in Nonsberg,
paer in Oberfassa, pa-ü in Ampezzo und paZchr in Sulzberg; in Graubünden und theil-
weise in Nonsberg erstreckt sich die Palatalisirung auch auf au, eoa wie in Nonsberg
elnurat (Kurat). Palatalisirung im Auslaut wie tnüeki und koaeli in Nonsberg ist lom
bardischer Einfluß, während in den Pluralia kuak (koai), sank (saeci), säali (swai) von
Enneberg der Palatallaut durch Verquickung des morphologischen i mit e entstanden ist
Ein weiteres charakteristisches Merkmal der ladinischen Idiome im Gegensatz zum Ita
lienischen ist die Erhaltung des 1 in den Gruppen al, xl, pl, pH th daher ennebergisch
tlo (elavis, Assimilirung), sslaein und cklaoia ( * hinein), plaxu (planum), blastama,
llamn; mehr oder weniger italienischen Einfluß haben Sulzberg: eliiak, dagegen xl-md,
plöu, llümo; Vigo: Iriük, Aiüeio, piaü, binstamar, Kümo; Oberfassa: lciak, ^äoio, piaü.
liamo; Colle santa Lucia: eliiak, ^as, plan, liäma; Ampezzo: cma, La^o, piaü, tlümn.
In Graubünden und Friaul sind die Verbindungen fast durchgehends rein.
Es erübrigt uns nur noch ein Wort über Volksdichtung des ladinischen Theiles
Tirols zu sagen. Leider ist in dieser Hinsicht fast nur Negatives zu verzeichnen, und zwar
aus einem ganz natürlichen Grunde. Die Volkspoesie ist das naiv-objective Product
poetischer Eindrücke ans eine bestimmte Gesammtheit, die durch Sprache, Abstammung,
Sitten und Nationalität znsammengehalten wird; die Volkspoesie kann nur dort gedeihen,'