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wohnlichen Thalauen ansgießt. Das südlichste derselben ist das Gleirschthal mit der
einzigen menschlichen Ansiedelung, der Amtssäge, einem Försterhaus, historisch bekannt
als der Aufenthaltsort des jungen Speckbachcr, der aber alsbald den Weg ins Innthal
ausfindig machte und eines schonen Tages, freilich nach langen Kreuz- und Qnermärschcn,
plötzlich im Bärenwirthshause in St. Johann vor seinem Vater erschien — das dankbare
Motiv von Defreggers reizendem Bilde; landschaftlich ist sie eine Perle der Kalkalpenkette.
Das zweite Querthal, das Hinter-Au-Thal, Jagdgebiet des Fürsten Hohenlohe, ist gleich
falls sehr reich an Natnrschönheiten in bunter Abwechslung und führt zum Haller Anger
an den Isar-Ursprung und ins Vomperthal. Das dritte, das Karwendel-Thal, „eine
schmale Thalsohle, voll von Geröll und Trümmergestein, das unablässig von der Höhe
hinabrollt, weiter oben spärliche Waldansätze, durchwühlt von Lawinen und Felsenstürzen,
darüber öde Reviere mit thurmhohen Kalkwänden, Zacken, Kämmen, unersteiglichen
Kaminen und Rnnsen, stundenlangen Karrenfcldern ohne Gras und Busch" — führt in
die Hochalpc und zur Pcrtisau. Im Westen, doch schon außerhalb der Landesgrenze,
mündet das Lentaschthal ein; die Wache an der Grenze besorgt die Leutascher Schanze.
Die zerstreuten Häuser von Ober- und Unterleutasch liegen am Fuße des Wetterstein
gebirges, der Hohen Munde und der Hochwand. Die Fortsetzung des Lentaschthals bildet
das Gaisthal, in dessen Hintergrund die Wasserscheide zwischen dem Lentasch- und dem
Loisachthal liegt; einer der reizendsten Punkte daselbst ist die historische Pestkapelle; im
Hintergrund ragt die mächtige Zugspitze (2.960 Meter) gebieterisch empor.
Die Centralalpen Tirols zerfallen durch die Einsenkung am Brenner und die daselbst
entspringenden Flüsse Sill und Eisak naturgemäß in zwei getrennte Massenerhebnngen:
in die Ötzthalcrgruppe und in die Zillerthaler Alpen, denen sich nahe der Grenze des
Landes die Tauern anfügcn.
Die vielbesuchte Ötzthalcrgruppe nimmt in Bezug aus Umfang und Vereisung,
sowie auf mittlere Kammhöhe und ans die Anzahl hervorragender Hochgipfel den ersten
Rang in den Tiroler Alpen ein, doch gehört deren höchster Gipfel nicht ihr, sondern der
Ortlergruppc an. Zahlreiche weitverzweigte und verästelte Thäler führen aus allen
Himmelsgegenden mitten hinein in das Herz dieser mächtigen Hochgebirgsgruppe und
zahlreiche Übergänge vermitteln den Verkehr im Innern derselben, der durch die sich rasch
steigernde Anzahl von Unterkunftshütten und Communicationsmitteln aller Art immer
mehr erleichtert wird.
Im Westen führt von Prutz ans das Kaunserthal in nahezu paralleler Richtung
mit dem Ötz- und Pitzthal in die Ötzthalcrgruppe hinein. Es ist durch seine furchtbaren
Muhr- und Eisbrüche, die erst in jüngster Zeit wieder Anlaß zu Seebilduugen im Thal
gegeben haben, ebenso bekannt, wie durch seine erhabenen Hochgebirgslandschaften, seine