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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Tirol und Vorarlberg

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Manche Züge der Riesensagen begegnen uns wieder in Teufelsgeschichten. Allgemein ver 
breitet sind die Erzählungen von Hexen. Als Zusammenkunftsorte derselben gelten die 
Annalpe bei Au, die Wildkirche an der Kanisfluh, die Winterstaude, das Wolfnrter Feld, 
die Emserreute, der Hexenstein über Bürs und besonders der Zamang im Montavon. 
Neben der Mythe hat sich auch die geschichtliche Sage entwickelt. Den ältesten 
Zeitraum vertreten die Legenden von St. Fridolin vor dem Gericht zu Rankweil, vom 
heiligen Gallus und von St. Gerold. Die Treue der Vorarlberger, die Liebe zum 
Herrscherhause empfängt den schönsten Ausdruck im Bericht von der freundlichen Auf 
nahme des flüchtigen Herzogs Friedel zu Bludenz. Jeder der vier Hauptkriege, die das 
Land betrafen, wird durch Sagen geschmückt: im Appenzeller Krieg rettet die Bettlerin 
Guta Bregenz; im Schwabenkrieg hat der Verrath des Uli Mariss den Verlust der 
Schlacht von Frastanz im Gefolge; gegen die Schweden erringen die Wälderinnen auf 
wunderbare Weise den Sieg an der „rothen Egg", nachdem jene durch den Verrath eines 
später in den „Klushund" verzauberten Lochauers Bregenz gewonnen; vom Übermuth 
der Franzosen endlich zeugt das geschändete Bildstöcklein auf der Losen. 
Weniger ergiebige Ausbeute liefert die Schürfung auf dem Boden des Volks 
schauspiels und des Volksliedes. Rudolf, der letzte Graf von Montfort-Feldkirch, 
ergötzte sich mit den Bürgern seiner Stadt an vielfacher löblicher Kurzweil; 1389 führten 
sie auf dem Gottesacker der Pfarrkirche ein Osterspiel auf „schön und köstlich, welches in 
die drei Tag gewehret". Das Passionsspiel wurde an mehreren Orten gepflegt, z. B. in 
Bludesch und Schoppernau. Am meisten scheint auf diesem Gebiete Mittelberg geleistet zu 
haben. Dort wurde als erstes Stück 1722 „Der arme Lazarus und der reiche Prasser" 
gegeben. Die Passion wurde zum erstenmal 1724 und dann von 1726 bis 1798 dreiund- 
sechzigmal gespielt. Die Feier umfaßte zwei Tage. Am Mittwoch der Charwoche wurde 
das eigentliche Passionsspiel in dem vergrößerten Tanzhaus aufgeführt, am Grün 
donnerstag die „Kreuzigung", die Passionsprocession, abgehalten. Viele Zuschauer, die 
aus Baiern, dem Walde und vom Tannberge herbeikamen, erfüllten den Kirchplatz. Im 
Festzuge prangten unter andern die drei Kriegsfahnen der Mittelberger. Eigene „Komede- 
vögte" hatten das Spiel zu leiten. Es wurden auch Stücke von Sebastian Sailer und 
andere derb komische dargeboten. Die josefinische und baierische Zeit erwiesen sich dem 
Brauche ungünstig. 1820 wurde noch Janns „Sieg der Religion" gespielt und erst 1890 
mit einem „Ägyptischen Josef" an diese alten Bestrebungen wieder angeknüpft. 
Man hört im Volke Vorarlbergs zwar zuweilen vierzeilige „G'sätzle" (Schnader- 
hüpfeln), sie dürften jedoch allzumal aus Tirol und der Schweiz bezogen und nur sprachlich 
zurechtgerückt sein. Auch andere Gattungen des Volksliedes fehlen. Dafür hat sich eine 
ziemlich reiche mundartliche Dichtung entwickelt, die einigermaßen als Ersatz der 
Tirol und Vorarlberg. 
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