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Verhältnisse und übertreffen hierin, wie in der kunstvollen Durchbildung ihrer archi
tektonischen Einzelnformen die geringe Anzahl der mehrschiffigen Bauten. Insbesondere
sind die einschiffigen Kirchen St. Leonhard bei Kundl, die Pfarrkirchen zu Imst, Percha,
Stegen, Deutschnofen, Terlan und Sana in dieser Hinsicht beachtenswerth.
Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß die meisten älteren Bauten dieser
Art im Innern an Wänden und Gewölben mit Freskogemälden geschmückt waren, wie
solche noch in werthvollen Überresten an der Pfarrkirche zu Obermauern im Virgenthal,
an der St. Helenenkirche bei Deutschnofen, zu St. Jakob bei Tramin und in der Pfarr
kirche zu Terlan erhalten sind. Der Umstand, daß die meisten Kirchenbauten Nordtirols
nur in ihren constrnctiv wichtigsten Theilen aus behauenen Quadern aufgeführt sind, sonst
aber ans Ziegeln oder wenig wetterbeständigem Steinmateriale, demzufolge auch die
Fanden mit Mörtelverputz geschützt werden mußten, führte nothwendig zur häufigeren
Anwendung malerischen Schmucks auch an den Außenseiten dieser Gebäude. Die Giebel
front der Pfarrkirche zu Hall zeigt noch deutliche Spuren figuraler Fresken aus dem
XV. Jahrhundert und an den Pfarrkirchen zu Schwaz, Imst und anderen erkennen wir
noch die in Malerei oder in Sgraffitotechnik hergestellte Nachbildung von Blendmaß
werken und dergleichen. An den kleinen Landkirchen aus jener Zeit fehlt selten die al lrssoo
dargestellte St. Christoph-Figur, welche an der Außenseite nächst dem Portal die ganze
Wandhöhe des Kirchenschiffs einnimmt.
Die mehrschiffigen gothischen Kirchen im Lande sind mit wenigen Ausnahmen
Hallenkirchen, denn nur zu Landeck und Lienz werden die Seitenschiffe vom Mittelschiff
überragt, und an keinem Beispiel findet sich die Ausbildung eines regelrechten Kreuz
schiffs. Selbst ein geringes Vortreten der Kreuzarme, wie dies an der Kirche zu Karres
im Oberinnthal oorkommt, ist selten.
Unter den größeren Baudenkmalen der in Rede stehenden Stilrichtung nehmen in
Nordtirol die Pfarrkirchen zu Schwaz und Hall den ersten Rang ein. Beide sind in ihren
Fanden charakterisirt durch den abgetreppten Zinnengiebel an der Westfront und die
Thurmanlage an der Nordseite des Presbyteriums. Die Pfarrkirche zu Schwaz
entstand um die Mitte des XV. Jahrhunderts und ist in seltener Art als oierschiffige
Doppelkirche angelegt. Das Langhaus schließt mit zwei gleich großen Apsiden und enthält
demgemäß zwei Hochaltäre. Dieser Doppelanlage entsprechen an der Giebelfront zwei
gleichgroße schön profilirte Portale, zu welchen man über eine breite Freitreppe gelangt.
Die Ursache dieser eigentümlichen Grundrißdisposition ist darin zu suchen, daß die einst
in großer Anzahl zu Schwaz beschäftigten Bergknappen, aus deren Mitteln die Kirche zum
großen Theil erbaut wurde, in derselben von der übrigen Gemeinde getrennt Aufstellung
nehmen wollten.