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einer Reihe von Schlössern, Edelsitzen, bürgerlichen und bäuerlichen Wohnbauten erhalten
geblieben, und eine nicht geringe Anzahl solcher Erzeugnisse findet sich noch zerstreut in
privaten und öffentlichen Sammlungen des In- und Auslandes.
Die im Lande erhaltenen Vertäfelungen und Möbel aus dem XV. und Anfang des
XVI. Jahrhunderts lassen in ihrer Cvnstruction und Verzierung durchweg die gothische
Kunstweise erkennen. Die Holzschnitzerei dieser Periode beschränkt sich in der Ausstattung
von Wohnräumen fast ausschließlich auf Flüchenverzierungcn und ist charakterisirt durch
das ausgegründete gothische Flachornament, welches sich an Vertäfelungen, Thüreu und
Deckenbalken, an Gewand- und Sitztrnhen, Schränken, Tischen und Bettgestellen in einer
Fülle verschlungenen Laubwerks, Bandvrnamenten, Wappenschildern und dergleichen
teppichartig ausbreitet. Vielfach tritt jene Flächenzier in Holz mit Faßmalerei in
Verbindung, wobei die rothe oder blaue Färbung des vertieften Ornamentgrundes vor
herrschend ist, während sie anderseits Motive darbietet, welche in der gleichzeitigen
Wand- und Gewölbemalerei Verwerthung finden.
Prächtige Beispiele der vorerwähnten Schnitztechnik an Vertäfelungen und Möbeln
finden wir im Schloß Neiffenstein bei Stcrzing und in der „landesfürstlichen Burg" zn
Meran, desgleichen an Thüren und Vertafelungsfriesen der Schlösser Vorst, Rnnkelstein,
Täufers, Pergine, Gufidaun, Campan, an dem Chorgestühl der Schloßkapelle St. Valentin
in Eppan und anderer. Seltener ist an derartigen Holzarbeiten in Tirol die Kerbschnitt
verzierung, in welcher die Linienführung gothischer Blendmaßwerke nachgebildet erscheint,
zur Anwendung gebracht, wie beispielsweise an den Balkendecken der Schlosser Trostburg
und Enn und an einzelnen Thüren und Möbeln ländlicher Wohnbauten aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts.
Die Reliefschnitzerei gothischen Stils ist hier mit wenigen Ausnahmen, zn denen
der reich geschnitzte Holzplafond im gräflich Enzenberg'schen Ansitz „Jöchelsthurm" zu
Sterzing gehört, nur an kirchlichem Mvbilar, wie an Flügelaltären, Chorstühlen, Kanzeln
und Todtenschildcrn, zn finden. In dieser Hinsicht sind die Altäre der Knappenkapelle zu
Gossensaß, der Franciseaner-Kirche in Bozen, der Schloßkapelle zu Matarello, der
Magdalenenkapelle im Hallthal und die gothische Kanzel im St. Johanneskirchlein bei
Tramin hervorzuheben. Unter den kreisrund geformten und wappengezierten Todten-
schildern der alten Adelsgeschlechter, welche in Kirchen und Grabkapellen als Wand
schmuck Verwendung fanden, ist der um 1501 gefertigte Schild des Ritters Florian
Waldaus zn Hall ein schönes Beispiel.
Die kunstvollsten Holzarbeiten in Tirol entstanden in der zweiten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts, da die Formen der Renaissance sich allgemein Bahn gebrochen hatten
und kunstsinnige Fürsten und Bischöfe, wie Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und