MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 1. Abtheilung: Wien

119 
triviale „Werkel", wenn schon nicht enthusiastisch gelobt und gepriesen, so doch als 
„Wiener Eigenthümlichkeit" anerkannt. 
Was nun das Tanzen betrifft, so ist es bekannt, daß die Wienerin den neidens- 
werthen Ruf genießt, sie sei — wenn sie „richtig gerathen" — nicht nur die treueste Gattin 
und edelste Mutter, sondern auch die beste Tänzerin. Und war ferner die „göttliche 
Fanny", die „Muse des Tanzes", eine Wienerin, und waren und sind die musikalischen 
Interpreten und Symboliken des Tanzes, die Lanner und Strauß, die Adam und Schaner, 
die Morelly und Fahrbach re. echte Wiener, so kann auch angenommen werden, Wien, 
die allzeit lustige und fröhliche Stadt, sei so recht der Hauptort, die Pflegestätte, die 
Heimat, die Universität und tllma ranker der Tanzkunst, des Tanzens. ^n Wien tanzt 
man bei jeder schicklichen (zeitweilig vielleicht sogar auch bei nicht passender) Gelegenheit; 
immer guirlt's den jungen Leuten in den Füßen, ein kurzes, flüchtiges Gewispel, ein 
paar wechselseitig verstündnißinnige Blicke, man macht das Unmögliche möglich, schafft 
Raum, wo der kühnste Forscher kein disponibles Plätzchen entdeckt Hütte, und nach den 
untrüglichen Lehrsätzen „Hilf, was helfen kann!" und „Wer gerne tanzt, dem ist bald 
gepfiffen!" ersinnt man auch noch ein Nothinstrument, der erste Ton erklingt, man jubelt 
auf, man lacht und — dreht sich im Kreise. Getanzt wird immer. 
Nun ist es wohl möglich, daß die Carnevalsseste zu Rom, Venedig und Neapel, zu 
München, Köln und Düsseldorf oder zu Paris imposanter, malerischer, stilvoller und 
prächtiger scenirt und durchgeführt werden, aber gemüthlicher dürfte doch wohl ein 
„Fasching in Wien" sein, wenigstens hatte er dies Renommee noch bis in die „halb 
vergangene Zeit", ja bis in die letzten Jahre. Jst's anders geworden? Kaum zu merken, 
denn wenn der officielle Termin naht, ist ja doch wieder auch der Tanzkobold erschienen 
und schwingt an allen Ecken und Enden sein Seepter, und das „Babel an der Donau" ist 
in tloridns! 
Freilich mag es einst noch toller und auch üppiger gewesen sein, wie uns gewisse 
Andeutungen in Chroniken, Berichten, Sagen und Legenden ahnen lassen. Welche pikante 
oder auch tragische Erlebnisse hätte wohl mancher Tanzsaal, dessen Name den Erdkreis 
durchflogen, zu erzählen gewußt, wenn wir eine getreue Historie des „Wiener 
Faschings" besäßen! Was munkelte man nicht Alles von der berühmten „Mehlgrnbe", 
welche phantastische Geschichten erfuhren wir durch mündliche Tradition von der märchen 
haften Pracht und dem verschwenderischen Luxus des „Apollosaales" und seinen gloriosen 
Tanzfesten, wie weideten wir uns noch selbst an dem vornehm-bürgerlichen Glanze der 
„öffentlichen" Bälle bei der „Birn" und im alten „Sperl" und welche Wandlung machte 
letzterer durch, als er in seinem Niedergange sich dem Programme und den Tendenzen der 
„Walhalla", des „Dianasaales" und ähnlicher Tummelplätze einer eigenartigen Menschen-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.