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triviale „Werkel", wenn schon nicht enthusiastisch gelobt und gepriesen, so doch als
„Wiener Eigenthümlichkeit" anerkannt.
Was nun das Tanzen betrifft, so ist es bekannt, daß die Wienerin den neidens-
werthen Ruf genießt, sie sei — wenn sie „richtig gerathen" — nicht nur die treueste Gattin
und edelste Mutter, sondern auch die beste Tänzerin. Und war ferner die „göttliche
Fanny", die „Muse des Tanzes", eine Wienerin, und waren und sind die musikalischen
Interpreten und Symboliken des Tanzes, die Lanner und Strauß, die Adam und Schaner,
die Morelly und Fahrbach re. echte Wiener, so kann auch angenommen werden, Wien,
die allzeit lustige und fröhliche Stadt, sei so recht der Hauptort, die Pflegestätte, die
Heimat, die Universität und tllma ranker der Tanzkunst, des Tanzens. ^n Wien tanzt
man bei jeder schicklichen (zeitweilig vielleicht sogar auch bei nicht passender) Gelegenheit;
immer guirlt's den jungen Leuten in den Füßen, ein kurzes, flüchtiges Gewispel, ein
paar wechselseitig verstündnißinnige Blicke, man macht das Unmögliche möglich, schafft
Raum, wo der kühnste Forscher kein disponibles Plätzchen entdeckt Hütte, und nach den
untrüglichen Lehrsätzen „Hilf, was helfen kann!" und „Wer gerne tanzt, dem ist bald
gepfiffen!" ersinnt man auch noch ein Nothinstrument, der erste Ton erklingt, man jubelt
auf, man lacht und — dreht sich im Kreise. Getanzt wird immer.
Nun ist es wohl möglich, daß die Carnevalsseste zu Rom, Venedig und Neapel, zu
München, Köln und Düsseldorf oder zu Paris imposanter, malerischer, stilvoller und
prächtiger scenirt und durchgeführt werden, aber gemüthlicher dürfte doch wohl ein
„Fasching in Wien" sein, wenigstens hatte er dies Renommee noch bis in die „halb
vergangene Zeit", ja bis in die letzten Jahre. Jst's anders geworden? Kaum zu merken,
denn wenn der officielle Termin naht, ist ja doch wieder auch der Tanzkobold erschienen
und schwingt an allen Ecken und Enden sein Seepter, und das „Babel an der Donau" ist
in tloridns!
Freilich mag es einst noch toller und auch üppiger gewesen sein, wie uns gewisse
Andeutungen in Chroniken, Berichten, Sagen und Legenden ahnen lassen. Welche pikante
oder auch tragische Erlebnisse hätte wohl mancher Tanzsaal, dessen Name den Erdkreis
durchflogen, zu erzählen gewußt, wenn wir eine getreue Historie des „Wiener
Faschings" besäßen! Was munkelte man nicht Alles von der berühmten „Mehlgrnbe",
welche phantastische Geschichten erfuhren wir durch mündliche Tradition von der märchen
haften Pracht und dem verschwenderischen Luxus des „Apollosaales" und seinen gloriosen
Tanzfesten, wie weideten wir uns noch selbst an dem vornehm-bürgerlichen Glanze der
„öffentlichen" Bälle bei der „Birn" und im alten „Sperl" und welche Wandlung machte
letzterer durch, als er in seinem Niedergange sich dem Programme und den Tendenzen der
„Walhalla", des „Dianasaales" und ähnlicher Tummelplätze einer eigenartigen Menschen-