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Jahrzehnte fast ausschließlich Friedrich Halm das Repertoire: ein glänzendes, aber weiches
und durch den Beifall verweichlichtes Talent, ein Meister in der Kunst des Exponirens
und Componirens, der sich zugleich auf den Zauber einer wohlklingenden, mehr lyrisch
als dramatisch belebten Jambensprache verstand. Die geringe Förderung, welche die
Dramatiker der Dreißiger- und Vierziger-Jahre bei den Nachfolgern Schreyvogels in der
Direction des Burgtheaters fanden, war der Grund, daß das österreichische Drama aus
der Art zu schlagen begann und sich von der Bühne weg dem Buchdrama zuwandte.
Erst unter Heinrich Laube erhielt die dramatische Literatur in Wien wieder Fühlung
mit dem Theater. Laube selber schrieb einen großen Theil seiner technisch geschickten und
bühnenwirksamen Dramen in Wien. Das interessanteste und zugleich bizarrste Talent
unter den deutschen Dramatikern der Zeit, Friedrich Hebbel, dichtete jetzt in Wien und
erfuhr durch die Nähe einer ausgezeichneten Bühne die entschiedenste Förderung, indem
es sich gewöhnte, geistreich ersonnene psychologische und sociale Probleme in eine bühnen
fähigere Form zu kleiden und den formellen Anforderungen der dramatischen Kunst mehr
zu entsprechen. Gerade in der Erfüllung der technischen Bedingungen des Drama haben
die österreichischen Dramatiker der Fünfziger- und Sechziger-Jahre das Löblichste geleistet
und sich allein dadurch einen ehrenvollen Platz in der Geschichte des Drama erworben.
In die Fußtapfen Halms trat S. H. Mosenthal, der Begründer des verfeinerten Bancrn-
stückes, dessen rhetorische Begabung und Beherrschung des scenischeu Effectes kaum hinter
seinem Vorgänger zurücksteht. Beruht bei ihm oft die Wirkung auf dem Äußerlichen, ans
den farbenprächtigen Tableaux, so ist es dem innerlicheren und tieferen Josef Weilen mehr
um die Charaktere zu thun: er ist bestrebt, niit dem Bühnenstücke die höheren Vorzüge des
Charakterdrama zu vereinigen. Während Franz Nissel sowohl auf der Bühne, als in der
Literatur erst spät die verdiente Anerkennung gefunden hat, sind die historischen Dramen
von F. von Saar wohl in der Literatur, aber niemals auf der Bühne heimisch geworden.
Andere, wie Otto Prechtler, der als ein glücklicher Stofffinder galt, Roderich Anschütz,
Wilhelm von Wartenegg, Murad Effendi, Franz Keim u. s. w. hatten nur vorübergehend
Erfolge zu verzeichnen; A. Berger, ein schönes, in den Bahnen Grillparzers wandelndes
Talent, ist seit einem ersten Versuche verstummt. In der neuesten Zeit hat Adolf Wilbrandt
mit dem Drama höheren Stils die größte theatralische und, wo ihn nnkünstlerisches
Raffinement nicht behinderte, auch tiefe poetische Wirkung erzielt. Das Lustspiel hat sich
leider nicht in dem Geiste Bauernfelds weiter entwickelt und ein so glücklich veranlagtes
Naturell ist demselben nicht wieder zugute gekommen. Schon seine umnittelbaren Nachfolger,
Leopold Feldmann und Alexander Baumann, waren weniger graziös, Eduard Mautner,
der Verfasser des munteren „Preislustspiels", weniger beweglich und auch nicht arbeitsam.
Später ging der Humor des deutschen Lustspiels überhaupt völlig in der Situationskomik,