MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 1. Abtheilung: Wien

173 
Volksschauspiel bescheert; zwei andere seiner Söhne haben aus seiner Gesinnung heraus 
Tragödien und Lustspiele gedichtet, die in ihrer Weise elastisch dastehen; in sein Burg 
theater hat es die besten Überlieferungen der deutschen Schauspielkunst herübergenommen 
und durch seine Teilnahme, seinen belebenden Geist diese Bühne zu einer Mnsteranstalt 
für ganz Deutschland gemacht. 
Leider verbergen sich uns die Anfänge dieser ruhmvollen Geschichte in der eigen 
sinnigsten Weise. Was vor Wolfgang Schmelzl liegt, ist fast ein leeres Blatt, und noch 
gut hundert Jahre nach ihm sieht man sich auf Andeutungen und Vermuthnngen angewiesen. 
Glücklich, wenn uns eine städtische Rechnung Kunde bringt von einer Theateraufführnng 
in der Rathsstube oder im bürgerlichen Zeughaus, von der wir freilich nichts erfahren, als 
was die Bürger und ihre Frauen an Confect und Wein verzehrt haben, oder wie uns eine 
Polizeiverordnung zu erreichen gibt, was für ein Comödiantenübermuth zu dämpfen war. 
Geistliche Spiele, Fastnachtsspiele, Bürgerspiele - fast Alles scheint versunken zu sein. 
Nur etwa aus der Zeit Wolfgang Schmelzls hat sich ein geistliches Spiel, das Pasfions- 
spiel von St. Stefan, erhalten. Es ist die erneuerte Zeitgestalt einer Dichtung, die wohl 
weit znrückreicht, wie alterthümliche Redewendungen beweisen, z. B. wafen, das heißt 
wehe über der Inden Zorn. Dieses Passionsspiel wurde am Charfreitag in der Stefans 
kirche während des Gottesdienstes aufgeführt. In der Nähe der Kanzel war eme Buhne 
anfgeschlagen, die Darsteller waren die Steuerdiener der Stadt Wien. Nornnttags wurde 
die Kreuzigung, die Kreuzabnahme und die Grablegung dargestellt, Nachmittags die Klage 
am Grabe. Ein Prolog erzählt die Leidensgeschichte des Heilands und bittet schließlich auf 
eine Stunde Geduld für das nun folgende Passionsspiel. Maria Magdalena tritt auf, 
mit ihr die drei Marien, die, das Kreuz umwnudelnd, ihre Klagen sprechen. Simeon naht 
sich der Mutter Gottes, „ziehet aus das Schwert und gibts Maria ins Herz": das Schwert, 
das ihr durch die Seele geht. Sodann fordert Josef den Nikodemus auf, mit ihm zu 
Pilatus zu gehen, um ihn um den Leichnam des Heilands zu bitten. Um sich zu versichern, 
ob Christus schon todt sei, schickt er den blinden Longinus ab. Dieser sticht ihm mit der Lanze 
in die Seite; von dem Blut, das aus der Wunde fließt, wird Longinus sehend. Mit seinen 
Augen habe er gesehen, daß das ein wahrer Gott sei, und er macht sich auf und verkündet 
das Wunder. Pilatus ist erstaunt, daß Christus schon todt, da er doch noch jung und 
stark gewesen; Christus sei übrigens ein gerechter Mann gewesen, es habe ihm schwere 
Noth gemacht, daß die Juden seinen Tod verlangt, denn er selbst wäre aus eigenem Ent 
schlüsse nie gegen ihn ausgetreten. Auch der Sohn des Pilatus versichert, daß sein Vater 
und seine Mutter stets zu Christus gehalten, daß seine Mutter sogar für den Heiland 
gebeten, daß sie daher an seinem Tode unschuldig seien. Der Leichnam wird ansgeliefert 
lind bestattet. Erneuerte Klageil. Nachmittags am Grabe erscheint Judas, wird von
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.