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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 1. Abtheilung: Wien

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bluten Sinne, nur durch den Stofs einseitig gebunden. Als das Drama au» der lynche, ja 
ihr entgegentrat, eine selbständige Macht und eine schneidige Streitwaffe, unternahm es 
der aus den religiösen Kämpfen des Jahrhunderts hervorgegangene Orden der Jesuiten, 
das Drama für die Kirche zu retten. Die klugen Väter der Gesellschaft Jesu, die stets die 
größten Erfolge dadurch erzielten, daß sie auf die Welt und ihre Bestrebungen eingingen, um 
sie nach ihrem Sinne zu lenken, nahmen das Theater, wie sie es vorsandeu. Sie steigerten 
noch den weltlichen Schein des Theaters, um sich dieses wichtigen Erziehungsmittels desto 
sicherer zu bemächtigen. In Wien erschienen die Jesuiten im Jahre 1551, und schon einige 
Jahre darauf entfalten sie eine emsige theatralische Thätigkeit. In diese Zeit fällt die 
„Ordnung und Reformation guter Polizei", deren Strenge sich gegen die „Schalksnarren 
kehrte und Wien von „Landfahrern, Singern und Reimsprechern" aller Art gründlich 
säuberte. Die volksthümliche Bühne verstummt gleich in ihren Anfängen, die Bürgerspiele, 
deren letztes 1604 stattfand, wollen nicht gedeihen. Die Jesuiten sind die Erben des 
Wiener Theaters. In ihrem Collegium am Hof spielen sie vor einer Zuschauermenge, die 
nach Tausenden zählt, und alle Schichten der Gesellschaft sind vertreten. Sie geben 
griechische Tragödien,römische Stücke,sie bearbeiten die weltliche und die geistliche Geschichte. 
Mögen sie sich auch zumeist der lateinischen Sprache bedienen — die Leidenschaft hat ja 
ihre verständliche Melodie im Tonfalle, und was den Augen erscheint, trägt seine eigene 
Beredsamkeit in sich. Und diese Schaustücke wenden sich stark an den sinnlichen Menschen. 
Musik und Tanz wird herbeigezogen, der höchste Glanz der Costüme und der Decorationen 
wird erstrebt, Erde, Himmel und Hölle kommen mit ihren Herrlichkeiten und Schrecknissen 
dem Zuschauer entgegen. Man hört wohl im Zuschauerraume einen Schrei des Entsetzens, 
wenn eine Horde erschrecklicher Teufel naht, mau schluchzt und weint, wenn ein 
junger Sünder in der Hölle abgebrüht wird, eine englische Heerschar erregt freudige» 
Erstaunen, auch Gelächter hört man erschallen, denn auch dem Scherz, dem Spaß ist sein 
bescheiden Theil gegönnt. Wenn auch nicht im höchsten Sinne erschüttert, so wird doch 
der ganze Mensch durchgeschüttelt. Und es fehlt nicht an Zeugnissen, die uns über die 
ungewöhnliche Wirkung der Jesuitenspiele belehren. In einem 1610 erschienenen Buche 
„Die Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts" schreibt der erzherzogliche Leibarzt 
Hippolyt Guarinoni in Hall: „Und ist in denen gewaltigen und auferbaulichen Schau- 
und Hörspielen eine solche Kraft und Nachdruck, daß sie nicht allein die Rechtgläubigen, 
sondern auch die Widersacher und allerlei Seelische von weitem herzuziehen, und nit anderst 
als der Orpheus die weiten Wälderberge, Thäler und Thiere herzugezogen, auch herzu 
zwingen, ich geschweige hier die ansehnlichen aller Länder Herrschaften, die hohen Poten 
taten, welche die Reichs- und Landeshochwichtigen Geschäfte auf eine Zeit mit genügsamer 
Fürsehung hintansetzen, und ihnen nichts angelegener denn eben diese adeligen Schauspiele
	        
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