242
Stempel eines ernsten, durchgebildcten Künstlergenins tragen. Wie sich in der Fülle seiner
Schöpfungen ein weich empfänglicher, von mannigfachen Gedankenströmungen und Kunst
richtungen bewegter Geist abspiegelt, so umfaßt auch sein Können die ganze Scala der
malerischen Ausdrncksformen, von der fleißigsten Miniaturzeichnung bis zur flott und breit
hingesetzten Skizze, die den flüchtigen Moment mit raschem Blick erfaßt, vom zart
verschmolzenen Altarbildchen im Stile der alten Flandrer („Madonna mit mnsicirenden
Engeln", im Besitze des Grafen Hans Wilczek) bis zum kolossalen, im Freskostil gehaltenen,
für weite Distanzen berechneten Deckengemälde („Der Kreislauf des Lebens", für das
Treppenhaus des naturhistorischen Hofmnseums). Letzteres Werk mit den dazu gehörigen,
leider unvollendet gebliebenen Lünetten bildet den Abschluß von Canons fruchtbarer
Thätigkeit auf dem Felde der großen Decorativmalerei, von der unter Anderem die schönen
allegorischen Bilder von „Poesie" und „Malerei" im Salon des Herrn K. Auspitz, der
Gemäldecyklus bei Herrn D. Gutmann, die umfassenden decorativen Compositionen für
Karlsruhe und New-Iork genannt sein mögen. Nicht wenigen seiner gestaltenreichen
Bilder, wie der „Loge Johannis" in der kaiserlichen Gemäldegalerie und dem eben
erwähnten „Kreislauf des Lebens", liegen complicirte Gedankensysteme zu Grunde,
Beweise von Canons philosophisch angelegtem Geist, der an scharfer Dialektik, an einer Art
Fechtkunst des Verstandes seine Freude hatte. Wenn es ihm auch nicht immer gelungen
ist, diese Gedankensysteme ganz in lebensvolle Organismen umzuwandeln, so pulsirte doch
in Canon eine coloristische Kraft von seltener Glut und sein Schaffen bildet, im Ganzen
betrachtet, ein hochinteressantes Element in der Entwicklung der Wiener Kunst.
Der malerische Zug, der uns an den zuletzt betrachteten Meistern vornehmlich in
die Augen sprang, bildet auch in den Werken der Historienmaler von vorwiegend
realistischem Zuschnitt ein Erbtheil der Wiener Schule. Als resolute Technik von
männlicher Tüchtigkeit offenbart er sich in den großen Wand- und Gewölbemalereien von
Karl Maas im Waffenmuseum des Arsenals, in blühender Farbenfrische von bisweilen
etwas bunter Tönung leuchtet er hervor aus den Bildern Franz Dobhaschofskys im
Stiegenraume des Operntheaters. Wenn der geniale Moriz von Schwind mit seinen
Foyerbildern der Oper und mit dem poesievollen hellfarbigen Freskencyklus zur „Zauber
flöte" in der Loggia derselben (siehe die Abbildung), wenn Anselm Feuerbach mit seinen
für Wien geschaffenen Bildern, vornehmlich mit dem grandios gedachten „Titanensturz"
(Akademie der bildenden Künste), hier keine vollen Erfolge errungen haben, so ist das
vorzugsweise der Zurückhaltung zuzuschreiben, welche sich die deutsche Schule großen Stils
in coloristischer Hinsicht auferlegte. — Hans Makarts leichter Sieg dagegen war in
erster Linie ein Sieg der Farbe und der in ihren berauschenden Duft gehüllten sinnlichen
Schönheit.