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Kein Meister des Jahrhunderts hat auf die Entwicklung der Kunst in Wien einen
fo tief und weit ausgreifenden Einstust geübt als der junge Salzburger, der, aiw Karl
von Pilotys trefflicher Schule kommend, 1868 zuerst mit den „Modernen Amoretten" und
bald darauf mit den „Sieben Todsünden" vor das hiefige Publicum trat. Man hat fein
rasches Aufsteigen und plötzliches Verlöschen meteorartig genannt. Aber das Leuchten
seiner Kunst hat nicht nur unser Auge entzückt, sondern das Schaffen und Streben einer
ganzen Generation umgestaltet. Makarts Natur war zu einer so mächtigen Wirkung
dadurch befähigt, daß ihm die Kunst mehr als eine Specialität, daß sie ihm Lebenskraft,
Lebenszweck selber war, daß er sie, gleich den großen Meistern der Renaissance, als eine
zweite schönere Natur zur Erschaffung einer neuen, glanzerfüllten Welt berufen erachtete.
Wie ein Feenschloß gestaltete er sein Heim und seine Werkstatt, die Geburtsstätte seiner
Schöpfungen und den Schauplatz glanzvoller, mit fürstlicher Pracht umgebener Geselligkeit;
die ganze Welt, Natur und Geschichte löste sich ihm in eine heitere Gestaltenfülle, in
schön bewegte Frauen und unter Blumen spielende Kinder auf; er war der geborene
Maler der „Abundantia"; aus der Geschichte nahm er sich nicht die Momente leidenschaft
licher Kämpfe, ernster Entscheidungen zu Vorwürfen für seine Bilder, sondern die Tage
der Festfreude, des Genusses, wie in seiner „Katharina Cornaro", in dem „Einzuge
Karls V. in Antwerpen", in der „Nilfahrt der Kleopatra", — und zu keiner Zeit hat sich
sein Talent glänzender bewährt, durch keines seiner Werke hat er größere Popularität
errungen, als durch das künstlerische Arrangement des Festzuges vom Jahre 1879, in
welchem die goldschimmernde, farbenglühende Gestaltenwelt aus des Meisters Bildern
für wenige sonnenbeglänzte Stunden auf die zur Festbühne umgewandelte Wiener Ring
straße herniederstieg. Ein solches Talent war, wie kein zweites, berufen zur Ausübung
jeder Art von decorativer Kunst. Er schmückte die Prachtgemächer der Wiener Paläste
mit Wand- und Deckengemälden (z. B. für Nikolaus Dumba, Baron Leitenberger,
K. Auspitz und Andere), er entwarf in seinen letzten Jahren den malerischen Schmuck für
den Treppenraum des kunsthistorischen Hofmuseums und führte die dazu gehörigen
Lünettenbilder noch im Großen aus; er hat sich auch wiederholt mit dem Entwerfen
großer Prachtarchitekturen profanen wie kirchlichen Charakters beschäftigt und war
erfinderisch für die verschiedensten Zweige des Kunstgewerbes und der Luxusindustrie. 4.as
Makart-Bouquet, die Makart-Rosen, der Makart-Hut sind allgemein bekannt und verbreitet.
Sie bilden jedoch nur Einzelheiten in dem zaubervollen Ganzen, zu welchem der uner
schöpfliche Reichthum der Phantasie des Meisters die moderne Tracht, den Zimmerschmuck,
das Geräthwesen, die Gefäßbildnerei an der Hand der Vorbilder des Renaissance-
Zeitalters, vornehmlich der Prachtdecorationen Venedigs, umzuschafseu bestrebt war.
Der malerische Zug des modernsten Wiener Kunstgewerbes, der den früheren streng