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des größten Consums im Sommer und mit 60.000 Kubikmeter täglich für die kältere
Jahreszeit festgestellt und wurden diese Ziffern auch als Basis für das Hochquellenproject
angenommen. Schon bei der Aufstellung dieses Projectes wurden von vielen Seiten über
die Ergiebigkeit der Hochquellen zur ungünstigen Jahreszeit Zweifel geäußert, aber diese
Bedenken wurden in der Hoffnung, den Zufluß durch Unterfahrung der Quellen zu
verniehren, und im Hinblick auf die unvergleichliche Qualität des Wassers, welche mit
Recht in den Vordergrund gestellt wurde, unterdrückt.
Diese Hoffnung ging allerdings nicht in Erfüllung; schon in den ersten Jahren
nach der Eröffnung der Kaiser Franz Joseph-Wasserleitung zeigte sich die außerordentlich
schwankende Natur der Hochquellen, die Ergiebigkeit sank zu gewissen Perioden bis auf
25.000 Cubikmeter, also unter die Hälfte des präliminirten Minimums herab, die
Ferdinands-Wasserleitung mußte wieder in Betrieb gesetzt werden und der Wassermangel
stand wieder ans der Tagesordnung, obwohl lange noch nicht alle Häuser mit Wasser
dotirt waren.
Die Unbeständigkeit der Hochquellen ist übrigens keine vereinzelte Erscheinung, sie
ist vielmehr in der Natur dieser Quellen, welchen die Meteorwüsser auf kurzen Wegen
zufließen, ohne ein wirksames Aufspeicherungsgebiet zu durchsetzen, begründet, und es haben
auch andere Städte, welche ähnliche Quellen benützen, zu einer Ergänzung ihrer Wasser
leitungen sich entschließen müssen. Unter diesen Verhältnissen mußte der Commune Wien
der Vorschlag, den Abgang der Hochquellen aus dem unterirdischen Qnellwasser zu ersetzen,
welches durch das Schwarzathal dem Steinfelde zusließt, willkommen sein, und es wurde
im Juni 1878 der Bau eines Wasserwerkes bei Pottschach zur Ergänzung der Hochquellen-
leitnng beschlossen und in der unglaublich kurzen Zeit von sechs Monaten ausgeführt.
Das Pottschacher Wasserwerk, dessen Wasser demjenigen des Kaiserbrunnens an Güte
nahekommt und jenes der Stixensteinerquelle übertrifft, besteht aus einer Anzahl großer
Brunnen, aus deren Tiefe das Wasser durch Dampfmaschinen angesaugt und in einer
Druckleitung dem nahe gelegenen Hochquellenaquäducte zugeführt wird. Das Wasserwerk
ist nur während eines Theiles des Jahres, je nach Bedarf, in Betrieb; seine Leistungs
fähigkeit ist ans 17.000 Cubikmeter in 24 Stunden berechnet, kann jedoch durch Ver
größerung der Anlage auf das Doppelte gesteigert werden.
Obwohl das Pottschacher Wasserwerk die Stadt in den Zeiten der Noth wiederholt
vor einer ernsten Calamität bewahrt hat und mit der beabsichtigten Erweiterung desselben
die Wasserversorgung von Wien für die Gegenwart als abgeschlossen betrachtet werden
könnte, so fordert bereits die Zukunft ihre Rechte und es tritt die gebieterische Pflicht, auch
der Vororte zu gedenken, als neue Aufgabe an die Hochquellenleitnng heran. Glücklicher
weise bieten sich für die Lösung dieser Aufgabe verschiedene Möglichkeiten, denn darin