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durch ihre Großartigkeit und ihre Pracht den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Hervorragende
Künstler wurden mit Aufträgen von Werken der Malerei und Bildnerei betraut.
Ein weltgeschichtliches Ereigniß, welches sich gegen Ende des XVII. Jahrhunderts
vollzog, sprengte endlich die Fesseln der weiteren Entwicklung Wiens. Angeeisert von
König Ludwig XIV., dem mächtigsten Rivalen der Habsburger, ließen sich damals die
Türken nach zwanzigjährigem Frieden neuerdings in einen Krieg mit Österreich ein. ^hre
Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang beruhte auf der Unterstützung Frankreichs, auf
den fortdauernden Unruhen in Ungarn und Siebenbürgen und auf der Verwendung eine»
Theiles der kaiserlichen Truppen in Italien und den Niederlanden. Nach langen Vor
bereitungen setzte sich ein wohlausgerüstetes Heer von 200.000 Mann unter der Führung
des Großveziers Kara Mustapha in Bewegung, um unmittelbar auf Wien loszugehen.
Die Stadt war zwar in einem besseren Vertheidigungszustande als im Jahre 1529,
aber auch diesmal erschienen die Türken noch vor der vollen Beendigung der militärischen
Vorbereitungen und vor der Bildung des aus den Kaiserlichen, den deutschen Hilfstruppen
und den Polen zusammengesetzten großen Heeres, welches Wien vor den Gefahren emer
länger dauernden Belagerung bewahren sollte. Auch diesmal hing daher das Schicksal
Wiens zum großen Theile von der Thatkraft und dem Opfermnth der Männer ab, denen
die Vertheidigung anvertraut war. An der Spitze standen Ernst Rüdiger Graf Starhemberg,
der durch Unbeugsamkeit und Tapferkeit ausgezeichnete militärische Verteidiger Wiens,
Graf Zdenko Kaplir, der thätige Präsident des Deputirtencollegmms, Graf Leopold
Kollonitz, der unermüdet für die Verwundeten und die Herbeischaffung von Proviant und
Geld wirkende Bischof, und Bürgermeister Johann Andreas Edler von Liebenberg, das
Vorbild patriotischer Hingebung und Aufopferung. Mit diesen Männern wetteiferten die
Officiere und die Soldaten der Besatzung wie die Bürger, Handwerker und Studenten.
Jeder derselben war auf seinem Platze, bereit, sein Leben und sein Eigenthum dem Schutze
und der Ehre der Stadt zu weihen.
Am 13. Juli 1683 begann auf dem Rücken des Laaer- und Wienerberges der
Aufmarsch der Türken. Die Feuersäulen der in Brand gesteckten Vorstädte und Dörfer
verkündigten den Belagerten das Erscheinen des Feindes. Im Halbkreise imt seinen
Truppen die Stadt umziehend, schlug Kara Mustapha hinter St. Ulrich, nahe der Schmelz,
sein Hauptquartier ans. Ungleich dem Vorgänge bei der ersten Belagerung richteten sich die
stärksten Angriffe auf die Burg- und Löwelbastei; vor diesen breiteten sich auf dem Flachen-
raume des heutigen Rathhausplatzes die Laufgräben und Minen aus, welche die Angriffe
auf die Vorwerke und die Basteien vorbereiteten.
Einen vollen Monat lagen die Türken bereits vor Wien, ohne daß Aussicht auf
einen nahen Entsatz vorhanden gewesen wäre. Ungeachtet fast täglich heftige Angriffe