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des mittelländischen Meeres. Zur besseren commerciellen Ausbildung des Handelsstandes
wurde eine Commercial-, Leih- und Wechselbank ins Leben gerufen. Je mehr sich die
Industrie entwickelte, desto häufiger kamen Kaufleute aus den Erblanden und Ungarn zur
Deckung ihres Waarenbedarfes nach der Hauptstadt; immer zahlreicher besuchten Wiener
Industrielle die Messen der größeren Provinzialstädte. So mächtig war schon unter
Josef II. der Handelsgeist, daß von hier aus der Gedanke ausging, in fernen Welttheilen
Colonien zur Erweiterung des überseeischen Handels zu begründen. Im Interesse des
Verkehres mit Wien wurden neue Kunststraßen, wie jene über den Semmering, erbaut
und die Hanptstraßenzüge nach dem Norden und Osten verbessert, einzelne Theile des
Donau-Stromes regulirt und der Wiener-Neustädter Kanal in der Absicht angelegt,
ihn bis Triest weiter zu führen. An der Stelle der von Josef II. beseitigten fremden
Niederläger entwickelte sich ein reicher einheimischer Großhandel, der den Staat in den
schwierigsten Lagen unterstützte und dessen Capitalien im Jahre 1816 die Gründung der
Nationalbank zur Ordnung des Geld- und Creditwesens ermöglichten. In Wien traten
jene Verkehrsunternehmungen ins Leben, welche später durch die Benützung der Dampf
kraft den großartigen Umschwung im Personen- und Güterverkehr zu Land und zu Wasser
herbeiführten. So begann hier im Jahre 1831 die Dampfschiffahrt auf der Donau und im
Jahre 1838 der Betrieb der Kaiser Ferdinands-Nordbahn auf der Strecke bis Wagram.
Nach den Freiheitskriegen erlahmte der frische schöpferische Geist, der fast durch ein
Jahrhundert alle Gebiete des Gemeinwesens durchzogen hatte. Am meisten empfanden
Wiens Bürger die Zerrüttung der Kräfte des Staates im Kampfe gegen Frankreich, und es
bedurfte vielen Fleißes und schwerer Arbeit, bis der frühere Wohlstand wieder zurückgekehrt
war. Gab es doch einzelne Kreise, welche die Ausbreitung des Handels und der Industrie
mit Mißtrauen betrachteten, weil ihnen die Vermehrung der unteren Elasten der
Bevölkerung zu gefährlich schien! Durch die Besorgniß, daß die Verbreitung der Ideen
der politischen Freiheit neue Erschütterungen herbeiführen könnte, wurde die geistige
Bewegung eingeengt. Ängstlich wachte die Regierung über allen Erscheinungen des Volks
lebens, jede Kritik der bestehenden Staatsordnung verpönend. Schriften über Geschichte,
Politik, Philosophie und Religion mußten mit großer Vorsicht abgefaßt werden, wenn sie
von der Censur nicht unterdrückt werden sollten.
Die Bürger fügten sich in den geistigen Druck. Stolz auf die Wiederherstellung der
Macht und des Ansehens Österreichs nach Außen hin und ohne nähere Einsicht in den
Gang der inneren Verwaltung, überließen sie vertrauensvoll ihr Wohl der schützenden
Fürsorge des Kaisers Franz I. Durch ihn wurden sie in ihrem Erwerb geschützt. Er that
Vieles zur Förderung nützlicher Einrichtungen und Anstalten, wie durch die Errichtung
des polytechnischen Institutes und die Gründung der Nationalbank. Infolge der Leichtigkeit