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Bedürfnisse einer emporblühenden Großstadt schufen die Gemeindevertreter mit großer
Opferwilligkeit neue Einrichtungen für den Verkehr, die Verbesserung der Gesundheit und
die Sicherheit der Bevölkerung, für die Pflege der Kranken und Armen und für die
Anschaffung der Lebensmittel. Sie erweiterten die Straßen, verbesserten die Kanalisirnng
und Pflasterung, bauten die durch die Großmuth des Kaisers und des Grafen Hoyos
geförderte Hochquellenleitung, — ein durch seine Großartigkeit fast alle öffentlichen Bauten
weit überragendes Rathhaus, neue Amtshäuser für die Bezirksverwaltungen, Armen- und
Waisenhäuser, ein großes Bad, neue Markthallen, einen neuen Viehmarkt; sie legten den
Stadtpark, die Gärten auf dem Rathhausplatze, vor der Votivkirche und auf dem Franz
Joseph-Quai und einen neuen großen Friedhof bei Kaiser-Ebersdorf an.
Auf den Gebieten des Unterrichts und der Bildung reformirte Kaiser Franz Joseph I.
im Geiste der Fortschritte der Wissenschaft und Kunst die Universität, das polytechnische
Institut und die Akademie der bildenden Künste und hob ihr Ansehen durch die
Berufung ausgezeichneter Professoren. Im Interesse der Förderung der Landwirthschaft,
des Handels und der Industrie erhielt Wien eine Hochschule für Bodencultur und eine
Handelsakademie. Die Gymnasien wurden nach neuen Lehrplänen eingerichtet. Das
Bedürfniß nach einer entsprechenden Vorbildung für die verschiedenen Lebensberufe der
Jugend führte zur Organisation der Realgymnasien, zur Vermehrung der Realschulen,
zur Errichtung der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums, zahlreicher Handels-,
gewerblicher Fach-, Fortbildungs- und Vorbereitungsschulen, zur Erweiterung des Musik-
Conservatoriums, ferner zur Gründung von Privatmusik- und Theaterschulen und von
weiblichen Bildungs- und Fachschulen. Noch bedeutender war die Umgestaltung der Volks
schulen infolge der Grundsätze der neuen Gesetzgebung. Zur Ausbreitung der Bildung
in allen Kreisen der Bevölkerung brachte die Gemeinde die größten Opfer für den ihr
anvertrauten Volksunterricht. Sie hob das Schulgeld auf, verbesserte die materielle Stellung
der Lehrer, errichtete eine Lehrer-Fortbildungsanstalt und baute eine große Anzahl gesunder
und geräumiger Schulhäuser.
Der gelehrten Forschung eröffneten die von Kaiser Ferdinand I. gegründete Akademie
der Wissenschaften und zahlreiche neu ins Leben getretene Institute und Vereine ein reiches
Feld des Wirkens, welches vorzüglich der vaterländischen Geschichte, der Länder- und
Völkerkunde und den Naturwissenschaften zugute kam. Die Befreiung von den geistigen
Fesseln wirkte anregend auf die Pflege der schönen Literatur und förderte die Entwicklung
einer reichhaltigen Tagespresse. Theater und Musik behaupteten ihre ausgezeichnete
Stellung inner- und außerhalb Österreich-Ungarns.
So wurde Kaiser Franz Joseph I. auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens der
Schöpfer des neuen Wien. Seine warme Fürsorge für das Gedeihen der Reichshaupt- und