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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 1. Abtheilung: Wien

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gegenüber der schon einige Jahre früher von Fellner erbauten Handelsakademie der 
schöne Neubau der Gesellschaft der Musikfreunde von Hansen. In diesem Gebäude (siehe 
Abbildung bei „Musik in Wien"), sowie in dem Ban der evangelischen Schule auf der 
Wieden und in seinem ebenfalls noch in den Sechziger-Jahren entstandenen Palais des 
Erzherzogs Wilhelm sehen wir den letztgenannten Meister in die Bahn der vorwiegend 
hellenisch durchgebildeten Renaissance einlenken, auf welcher seine jüngsten großartigen 
Schöpfungen liegen. 
Unter diesen Werken des Nestors der Wiener Architekten, der k. k. Akademie der 
bildenden Künste (1876), der Börse (1877) und dem Reichsrathsgebände (1883), 
muß des an dritter Stelle genannten etwas eingehender gedacht werden. Das moderne 
Europa kann sich keiner bedeutenderen Erscheinung gleicher Art rühmen. Selbst was 
ein Schinkel und Klenze in verwandtem Stil geschaffen, ist hier durch Schönheit des 
Materials und Reichthum der Gestaltung überboten. Ähnlich wie Hansen, so denken wir 
uns, mögen die Hellenen der alexandrinischen und römischen Epoche die complicirten 
Bau-Aufgaben ihrer Zeit in das Gewand der ererbten Formensprache zu kleiden bestrebt 
gewesen sein. Den beiden Häusern des Parlaments gab er die Gestalt von antiken Theatern 
mit halbkreisförmig aufsteigenden Sitzreihen und Galerien. Zwischen beide schiebt der 
große Säulensaal sich ein, der in dem giebelbekrönten Porticus der Fahnde, der idealen 
Stirn des Ganzen, seinen Ausdruck findet. Ein reicher Schmuck von Plastik und Malerei 
ist dem Äußeren wie dem Inneren des Gebäudes zugedacht. Er wird ihm Leben und 
Glanz verleihen, ohne die großartige Ruhe zu stören, die als die Mitgift völlig ausgereifter 
Meisterschaft über dem Ganzen ausgebreitet liegt. (Siehe Abbildung Seite 46.) 
Gleich einem vielstimmigen Männerchor, dessen Töne frei zum Himmel dringen, 
erheben sich zur Seite von Hansens Parlament die Thürme und Zinnen von Schmidts 
Rathhaus. Erinnerungen an die Macht und Blüte mittelalterlichen Bürgerthnms, an 
die Kaufhallen und Stadthäuser Flanderns mit ihrem Erker- und Statuenschmuck werden 
lebendig in uns, wenn wir vor diesem wundervollen Werke stehen, aus dem die Kraft und 
Freudigkeit eines gottbegnadeten Talentes zu uns spricht. (Siehe Abbildung Seite 49.) 
Schmidt hat neben seinen zahlreichen Kirchenbauten wiederholt auch im Profanbau 
den gothischen Stil mit Glück angewendet, vor Jahren bereits beim akademischen 
Gymnasium und in jüngster Zeit bei dem kaiserlichen Stiftung sh aus am Schottenring. 
Alle Beweglichkeit und Energie, die er dort bekundet, aller Ernst und alle Zierlichkeit, 
welche seinen Schöpfungen das individuelle Gepräge verleihen, erscheinen verzehnfacht in 
der Fa^ade des Rathhausbaues, der Krone von Schmidts gesammter Thätigkeit. 
Als drittes ebenbürtiges Glied jener mächtigen Gebäudegruppe, welche den mit jungem 
Grün bepflanzten Rathhausplatz umgibt, steht der Universitätsbau Ferstels da.
	        
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