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aufgabe erblickte. Der Tod des letzten Fürsten von Halicz, Boleslaw Troydenowicz,
hatte Kazimir noch im Jahre 1340 die Veranlassung gegeben, sich des herrenlosen
Fürstenthums zu bemächtigen. Es galt jetzt, sich im Besitz der neuen Erwerbung zu
befestigen und dieselbe gegen die Littauer sowie gegen die Tataren zu vertheidigen. Erst
im Jahre 1347 wurde ein Abkommen geschlossen, infolge dessen die rothruthenischen
Gebiete von Lemberg und Halicz Kazimir zuerkannt wurden, während sich Littauen in der
Herrschaft über Wolhynien behauptete. Bald kam es jedoch zu neuen Kämpfen, welche
mit Unterbrechungen bis zum Jahre 1366 dauerten. Kazimir erweiterte seine Herrschaft
über die wolhynischen Gebiete von Betz, Chelm, Wladimir und Krzemieniec, indem er
ste zwar Manischen Fürsten zu Lehen überließ, aber in den Burgen derselben polnische
Truppen und polnische Starosten einsetzte. Wenn nicht Alles trügt, hatte sich Kazimir in
jenen langwierigen Kämpfen noch weitere Ziele vorgesteckt. Im fernen Osten, hinter dem
rothruthenischen Lande, lag das öde, herrenlose Gebiet von Podolien, dessen dünne
Bevölkerung den Tataren tributpflichtig war. Podolien den Tataren zu entreißen, dessen
fruchtbare Ebenen der polnischen Kolonisation zu eröffnen und über Podolien hin bis an
das Schwarze Meer vorzudringen, dies scheint die weitere Aufgabe gewesen zu sein, für
welche die Erwerbung von Halicz die Vorbedingung bilden sollte. Auch hier kam aber
Littauen dem König von Polen zuvor. Der Großfürst von Littauen Olgerd bemächtigte sich
Podolicns nach dem Siege an den Blauen Wässern, den er über die Tataren erfochten hatte,
und übergab seinen Neffen, den Koriatoviczen, das neugewonnene Land zur Verwaltung.
Doch gelang es Kazimir wenigstens durch freundschaftliche Beziehungen zu den Gebietern
Podoliens der polnischen Colonisation den Weg in das „gelobte Land" zu eröffnen.
Diese machte inzwischen in den rothruthenischen Gebieten bedeutende Fortschritte,
und zwar sowohl auf den Krongütern als auch auf den Besitzungen der kleinpolnischen
Herren, denen durch königliche Gunst große Latifundien zugewendet wurden. Die
neue Erwerbung am Dnjester wurde für ganz Polen zu einer ergiebigen Onelle
regen volkswirthschaftlichen Aufschwunges, an dem alle Stünde reichlich theilnahmcn.
Das Land hatte von jeher keine geringe Rolle in den Handelsbeziehungen zwischen
Osten und Westen gespielt und Lemberg, an einem Knotenpunkt wichtiger Handelsstraßen
gelegen, war bereits zu einem ansehnlichen Marktplatz geworden. Seit der Erwerbung des
Landes durch Kazimir den Großen und der Vertreibung der Tataren aus Podolien gewann
diese Abzweigung des orientalischen Handels um so mehr an Bedeutung al» auch
die Beziehungen Kazimirs zu den Fürsten der Moldau und der Walachei, namentlich
nach 1360, neue Wege-zu den am Schwarzen Meere gelegenen genuesischen Colonien
ebneten. Hieraus erwuchsen unermeßliche Vortheile für die polnischen Städte, die nunmehr zu
einer angesehenen Stellung in dem großen Verkehr des Welthandels gelangten; ihr Interesse