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daß Friedensvertrüge mit blutigen Schlachten wechselten. Trotz des von König Johann
Kazimir in der großen Schlacht bei Beresteczko (1651) erfochtenen Sieges über Chmielnieki
und die mit ihm verbündeten Tataren zog sich der Kvzakenkrieg Jahre hindurch in die
Länge. Den größten Vortheil hieraus erntete Moskau. Vvn Chmielnieki zn Hilfe gerufen,
behauptete es trotz mancher Niederlagen Kiew und das rechte Ufer des Dniepr. Die
größten Wunden brachte dieser Krieg dem rnthenischen Volksthum bei. Blühende Provinzen
verwandelten sich in Schutthaufen, das ganze Land wurde durch Krieg, Hunger und
durch den sogenannten jusszu-, d. i. durch Wegschlcppung vieler Tausende in die Sclaverei
der Tataren entvölkert. Diese Kriege entfremdeten auch den rnthenischen Adel und das
Bürgerthum dem ruthenischen Volke, und sogar die ruthenische Geistlichkeit begann sich
der polnischen Art anzuschmiegen.
Während dieser Wirren reifte auch in Polen eine Institution, welche den letzten
Grad der Auflösung der staatlichen Organisation bedeutete. Bereits in der zweiten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts hatte sich das Recht ausgebildet, daß ein giltiger Reichstagsbeschlnß
nur durch Stimmeneinhelligkeit zustande kommen, daß der Reichstag nur durch sechs
Wochen tagen und nur durch Stimmeneinhelligkeit verlängert werden konnte. Seitdem
war cs für die Minorität ein Leichtes, jeden unliebsamen Vorschlag zu vereiteln und sogar
den Reichstag dahin zu bringen, daß er nach sechs Wochen unnützer Verhandlungen, ohne
einen Beschluß gefaßt zu haben, auseinander ging. Durch dieses Vorgehen zog sich aber
die Minorität den Vorwurf unpatriotischen Handelns zu und lief immer bis zum Schlüsse
des Reichstages Gefahr, von Seiten des Königs und der Mehrheit terrorisirt zu werden.
Im Jahre 1652 ereignete es sich nun, daß ein käuflicher Landbote die ganze Schande auf
sich nahm und unter dem Vorwände, er sei in der freien Ausübung seines Mandates
behindert, das liberuiir voto einlegte und dem Reichstag das Recht verweigerte, weitere
Berathungen zu pflegen. Der Reichstag anerkannte dieses Vorgehen eines einzelnen Land
boten und ging auseinander.
Diese Zeit der inneren Unruhen glaubten nun Schweden und Moskau zu ihrem
Vortheil ansnützen zu sollen. Im Jahre 1654, nach Beendigung des dreißigjährigen
Krieges, zog Karl Gustav von Schweden mit einem auserlesenen Heere nach Polen. Der
Adel meinte, daß er dem Kriege ausweichen würde, wenn er seinen König im Stiche lasse
und dem Eindringling sich unterwerfe. Warschau und Krakau wurden nach kurzem Wider
stande eingenommen, während der russische Czar gleichzeitig Kiew besetzte und bis vor Wilna
drang. Auch der Fürst Räkoczy von Siebenbürgen, Chmielnieki und der Kurfürst von
Brandenburg zogen gegen Polen ins Feld. Eine Theilung Polens schien unvermeidlich.
Johann Kazimir mußte sich nach dem österreichischen Schlesien flüchten. In diesem Augen
blicke höchster Demüthigung und Gefahr erwachte aber der patriotische Sinn der Polen.