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trügt, im Seitenschiff auf seinem Platze, ein großer Vogel, dessen Mechanismus es ihm
gestattet, mit den Flügeln zu schlagen. Auch sind Grabdenkmäler vieler Jahrhunderte
dort verblieben. Unsere Abbildung zeigt die Grabmalplatte des 1516 verstorbenen Peter
Salomon. welche knapp neben dem Hochaltar ihren Platz hat. Durch die Kirche wandelnd,
begegnen wir vielen Denkmälern von Krakauer Vürgeru. Gelehrten. Würdenträgern.
Werken einer frühen, bescheidenen oder späteren reichen Renaissance. neben den Arbeiten
einer noch späteren, pomphaften Kunstepoche, sowie neben den einfachen Grabmälern der
hervorragenden, kürzlich verstorbenen Söhne und Töchter dieses Landes. Jahre. Jahr
hunderte sind über der Kirche „unserer lieben Frau" hinweggegangen, und jedes Jahr
hundert. jedes Jahrzehnt hat irgend ein Merkmal daran zurückgelassen.
Neben der Frauenkirche steht das Kirchlein der heiligen Barbara, welches
der Sage nach von den Maurern, die beim Bau der Krakauer Pfarrkirche beschäftigt
waren, in arbeitsfreien Stunden erbaut worden ist. Der Winkel zwischen der Frauenkirche
und dem Kirchlein der heiligen Barbara gehört zu den allercharakteristischesten Plätzen der
Stadt. Die Krakauer Künstler haben dies auch schon lange erkannt, und es fehlt nicht an
historischen oder genrehaften Gemälden, deren Darstellungen sich auf diesem Platze
abspielen. Das Innere des Kirchleins ist vom Grund aus verdorben, an der Außenseite
jedoch treten als kleine aber höchst reizende Anbauten, die aus dem Beginn des XV I I. Jahr
hunderts stammende Kapelle und die herrliche spätgothische Vorhalle hervor.
Wir könnten uns jetzt nach dem kleinen Ringplatze begeben, wo gleich wie auf
der Piazza d'Erbe in Verona lustige Höckerinnen unter Sonnenschirmen oder in Bretter
buden sitzen und Obst verkaufen. Wir könnten durch die Heugasse gehen, welche nach dem
kleinen Ringplatz führt: eine enge, durchaus mittelalterliche Straße. Auf einer Seite steht
die Studentenburse, ein stattliches Gebäude aus späterer Zeit, auf der anderen Seite
treten die rohen, nackten, spärlich mit Fenstern versehenen Mauern des Grauen Hauses
hervor, das einem Kastell ähnlich ist und an befestigte Häuser italienischer Städte
erinnert. Hier soll im XIV. Jahrhundert die schöne Jüdin Esther, die Geliebte Kazimirs
des Großen, gewohnt haben. Allein, wir können bei solchen Einzelheiten nicht verweilen,
es gibt deren gar zu viele in Krakau. Kehren wir nach dem großen Ringplatze mit seinen
historisch gewordenen Häusern zurück, an denen trotz ihrer banalen Fanden doch manche
schöne Details wahrzunehmen sind. Die gewölbten Fluren haben sich zum Theile erhalten;
in den Sälen, wo ehemals die Gesandten fremder Mächte gewohnt hatten, laufen längs der
Decke große, geschnitzte Tragbalken, stehen hie und da alte, gewichtige Kamine. Hier hielt
sich, der Überlieferung nach, die Gesandtschaft der Venetianer auf. dort waren die türkischen
Botschafter gastlich ausgenommen, dort wieder befand sich die königliche Münze. Jenes
Haus war Eigenthum einer der zahlreichen italienischen Familien, welche sich in Krakau