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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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und unterscheidet sich von dem Lied durch ihren mehr epischen Charakter, sowie durch große 
Freiheit des Versmaßes. 
Obwohl in den Dumen, besonders in denen älteren Ursprungs, ebenfalls mythische 
Motive und alterthümliche epische Formen Vorkommen, so sind dieselben doch mehr als eine 
Art Manier oder dichterischer Symbolismus anzusehen, denn als mythische Überlieferungen. 
Den Inhalt der ruthenischen Dumen bilden die wirkliche Geschichte und ihre Helden, 
deren Kämpfe und ritterliche Thaten, Charaktere und tragischen Geschicke die Phantasie 
und die Gefühle des Volkes beherrschten. Die Dumen sind demnach eine Heldendichtung, 
welche das geschichtliche Leben des ruthenischen Volkes im XV. bis XVIII. Jahrhundert, 
Erinnerungen an die ritterlichen Heldenthaten der Kozaken in den Kämpfen mit Tataren 
und Türken, an die Geschicke der Gefangenen in der Sclaverei, an die Kämpfe der 
Kozaken mit Polen und Rußland und dergleichen umfaßt. Sie sind im vollen Sinne des 
Wortes eine poetische Chronik des Volkslebens ohne sagenhafte, phantastische Übertreibung, 
schlicht und reell in allen Einzelheiten. Bei allem poetischen Colorit der Dumen kann man 
in denselben meistentheils auf eine bestimmte historische Thatsache oder eine bekannte 
historische Persönlichkeit Hinweisen. Das dichterische Bild der Duma ist von dem warmen 
Gefühl des lyrischen Liedes umhaucht und zeichnet sich nicht selten durch bemerkenswerthe 
Schönheit aus und daher zählen die Dumen zu den schönsten Schöpfungen der slavischen 
Volksdichtung überhaupt. Das lebhafte Gefühl der Natur verleiht den Dumen zahlreiche 
Bilder, welche den poetischen Gegenstand genau umgrenzen. Alles kommt in den Dumen 
der Wirklichkeit so nahe, daß es unwillkürlich die unmittelbare Theilnahme der Sänger 
und Zuhörer Hervorrufen muß und dadurch läßt es sich erklären, daß die Dumen in das 
Lyrische und sehr oft in das Dramatische übergehen und den Mangel an epischer Ruhe 
bekunden, wie überhaupt in der Volksdichtung eine strenge Scheidung nach der Theorie 
der Ästhetiker in Lyrik und Epos nicht möglich ist. 
Historische Dumen wurden von den Banduristen, welche sie mit Begleitung der 
llob?ü oder bunäüra vortrugen, sofort nach Vollendung der historischen Thatsachen, die ihren 
Gedanken Stimmung verliehen, componirt. Darauf weisen nicht nur Analogien in anderen 
Literaturen hin, sondern auch die ruthenischen Dumen selbst. So wurden Dumen 
von den in Kriegsgefangenschaft oder Selaverei schmachtenden Gefangenen, welche auf 
türkischen Galeeren oder in Kerkern ihr Dasein fristeten, als Klagelieder componirt 
und ersetzten denselben die Gebete, wie dies aus dem Schluß mancher Klagelieder 
zu entnehmen ist. In einer zeitgenössischen Chronik lesen wir, daß die Braut (Doinna 
Rosanda) des Tymosz Chmelnyckij während des Aufflechtens der Haarzöpfe sich Dumen 
vortragen ließ. Auch Bohdan Chmelnyckij soll das Lied von dem unglücklichen Kiebitz 
(e-msku) gedichtet haben, in welchem allegorisch die Geschicke der Ukraine geschildert werden.
	        
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