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seines Vaters, des großen Lustspieldichters, geerbt, doch immerhin etwas von dessen Humor
und Witz. Wtadyslaw Ludwig Anczyc (gestorben 1883) hat sich in manchen gelungenen
Stücken aus dem Bauernleben hervorgethan. Michael Balucki (Krakau), Marian
Gawalewiez (Warschau) und Sigismund Przybylski (Lemberg) haben manchen lustigen
Zug aus dem Leben gegriffen.
Für die Bühnen war dieser Zeitraum günstig. Im Jahre 186,6 übernahm Graf
Adam Skorupka nominell, in der That aber Stanislaw Koznüan die Leitung des Krakauer
Theaters und behielt dieselbe durch eine Reihe von Jahren. Er hatte das Glück, mehrere
vielversprechende Talente zu entdecken und das Verdienst, dieselben zu tüchtigen Schau
spielern auszubilden. Aus seiner Schule gingen die besten Schauspieler derGegenwart hervor,
wie Vincenz Rapacki, Boleslaw Ladnowski (Warschau), Roman Zelazowski, Gustav Fiszer
(Lemberg) und der zu früh verstorbene Felix Benda; die Damen Antoinette Hosmann
(gestorben 1897), besonders in der höheren Cvmödie glänzend, und die in beiden Welttheilen
berühmte Helene Mvdrzejewska. Als ihre schönsten Rollen, die dem deutschen Publikum
bekannt sind, wäre Maria Stuart, Ophelia, Desdemona, in den letzten Jahren Lady
Macbeth zu bezeichnen. Aber auch das Lustspiel, vor Allem das Shakespeare'sche, ist ihr
nicht verschlossen und ihre Rosalinde in „Wie es Euch gefüllt", ihre Beatrice in „Viel Lärm
um Nichts" sind meisterhafte Schöpfungen.Fräulein Romana Popiel (in Warschau), die, seit
einigen Jahren verheiratet, die Bühne verlassen hat, war in ihrer Art eine ganz wunderbare
Erscheinung, die ohne Übertreibung einer Goßmann oder Hohenfels gleichgestellt werden
konnte. Leider waren die Verhältnisse in Warschau dem Theater nicht günstig. Auch in
Krakau war dasselbe nach dem Rücktritt S. Kozmians in Verfall geratheii; als aber
im Jahre 1893 ein neues Theatergebäude eröffnet wurde und ein junger gebildeter
Mann, Thaddäus Pawlikowski, die Direktion übernahm, hob es sich zusehends wieder.
Zum Schluß noch ein Wort über die jüngste politische Literatur. Auf dem Gebiete
derselben glänzten zu Beginn dieser Periode die zwei Werke des Julian Klaczko ,veux
ötuckos de ckiploruatis eoutoruporaiuo" und ,4,68 ckeux Olraueoliers."
Für Europa bestimmt, wurden sie in einer allgemein verständlichen Sprache verfaßt, deren
sich Klaczko eben so musterhaft wie seiner Muttersprache bedient. Das erster« von beiden
Werken lenkte die Aufmerksamkeit der maßgebenden Kreise in Österreich so sehr auf sich,
daß Graf Beust den Verfasser für das Ministerium des Äußern gewinnen wollte. Im
Jahre 1870 verließ aber Klaczko den Staatsdienst und schrieb auch über Politische Fragen
nicht mehr. Ein Studium über Dante, 0.uu8ori68 4Ior6ntius8 (1880) und Fragmente
eines größeren Werkes über die Renaissance, die von Zeit zu Zeit in der ,1l6vuo ck68
ckoux Lloucles" erscheinen, sind das einzige, was der unstreitig glänzendste polnische
Stilist und tiefste politische Schriftsteller seit jener Zeit geschrieben hat.