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erbaut und legt, wie die Reste der Exfranciscanerkirche in Nowy Sgcz, Zeugniß von der
Meisterschaft der Architekten ab, die, aus der Ferne berufen, mit der Entwicklung der Gothik
vertraut waren.
Die kirchliche und profane Bauthätigkeit der Gothik entwickelt sich in großem Umfange
in der polnischen Residenzstadt Krakau, vor Allem im Laufe des XIV. Jahrhunderts.
Aus Vorliebe für den neuen Stil begann der Krakauer Bischof Ranker, von Geburt
ein Schlesier, im Jahre 1320 auf eigene und auf Kosten der Diöcesangeistlichkeit den
Bau einer vom Grund aus neuen Kathedrale. Sie steht auf der Wawelanhöhe an der
Stelle der alten romanischen, wobei nur die früher erwähnte Krypta erhalten blieb. Die
neue Kathedrale sollte ein geräumiges, der Krönungsceremonie würdiges Heiligthum der
Hauptresidenzstadt des Landes und die Ruhestätte der Könige nach ihrem Tode sein. Der
Bau wurde im Jahre 1364 vollendet. Er ist nicht allzugroß, aber interessant durch die
Architektur seines Innern im gothischen Theile. Zwar wurde er sowohl außen durch den
Zubau einer Reihe von Kapellen, als auch im Innern durch die Erhöhung eines Theils der
Seitenschiffe sehr verändert. Im Grundriß ist die Krenzform durch ein Querschiff und durch
ein sich in ein ungewöhnlich tiefes Presbyterium verlängerndes Hauptschiff, die beide ein
hohes Kreuzgewölbe getragen, gebildet. Die niedrigen Seitenschiffe laufen, den Armen des
Querschiffes ausweichend, um das durch eine flache Wand abgeschlossene Presbyterium
herum. Das Ganze ist trotzdem organisch durchgeführt, indem die sich hieraus ergebenden
Schwierigkeiten durch Veränderung in der Prosilirung der Pfeiler und der Krümmung
der Längenaxe der Kirche, welche das Presbyterium nach der rechten Seite dreht,
überwunden sind.
Der Bau ist überwiegend aus Quadern hergestellt, die Ziegel sind von außen und
innen durch Steintäfelung verdeckt. An den Seitengiebeln sind Mauerwerksflächen ans
Ziegeln sichtbar. Mit der Anwendung zweier Materialien tritt hier zum ersten Mal auch
das Constructionssystem auf, welches die Strebepfeiler der hohen Schiffe in das Innere
der Kirche einführt, indem sie hinter den Arkadenpfeilern, welche die Schiffe trennen, unter
gebracht sind. Die Pfeiler, welche die Schiffe trennen, haben einen vieleckigen, auf der
Queraxe durch Strebepfeiler verlängerten Grundriß, was von nun an in den Krakauer
Kirchen des XIV. Jahrhunderts charakteristisch auftritt. Zu dieser Charakteristik gehört auch
die Anwendung blinder Nischen mit Maßwerk zur Belebung der Wände.
Die Architektur der Kathedrale ist ein Urtypus bezüglich des Constructionssystems
für die anderen im XIV. Jahrhundert erbauten Kirchen Krakau's und der ihr anliegenden
soeben gegründeten Stadt Kazimierz. Diese Gruppe von vier Krakauer Kirchen: der
Jungfrau Maria, der heiligen Dreifaltigkeit bei den Dominicanern, des Corpus Christi bei
den lateranensischen Kanonikern und der heiligen Katharina bei den Augustinern, hat eine