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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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sondern der Mensch, seine historische Rolle und die Umstände, auf deren Hintergründe 
wir ihn dargestellt sehen. Edelgesinnt und durchaus uneigennützig, verschenkte er seine 
Gemälde, als ob sie ihn nichts kosteten und trug, durchdrungen von dem Priesterthum 
der Kunst, den Ruhm seines Vaterlandes auf den Flügeln seines eigenen Ruhmes nach den 
beiden Hemisphären der Erde. Man kann nicht sagen, wer sein Lehrer gewesen sei. Sein 
größter Lehrer war die historische Vergangenheit seiner Heimat und vor allem Krakau mit 
seinen Denkmälern und Wahrzeichen entschwundener Größe. Derjenige, welcher seit 
Matejko's Jugendzeit am meisten auf den Charakter seiner künstlerischen Thätigkeit ein 
gewirkt hat, war Veit Stoß mit seinem Altar in der Marienkirche. Wenn wir jedoch 
einerseits in Matejko's Gemälden insofern eine Ähnlichkeit mit Veit Stoß finden, als auch 
bei ihm die Tendenz hervortritt, die Gestalten im Detail und in der Gewandung mit 
Nachdruck, ja manchmal mit Übertreibung herauszuarbeiten, so finden wir anderseits auch 
einen Wiederschein der in Krakau so zahlreichen und bedeutenden Denkmäler der italienischen 
Spätrenaissance mit ihrem barocken Zuschnitt in seiner Kunstthätigkeit. Der so kräftig 
accentuirte Naturalismus der späten Gothik, sowie die barocke Breite des Contours 
und der Formen, das sind, bei einer gewissen Hinneigung zur Üppigkeit und einem 
außerordentlichen Reichthnm, die charakteristischen Merkmale von Matejko's Talent. In 
ihnen liegt seine Kraft, in ihnen aber zugleich auch in vielen Fällen seine Schwäche. Sv 
ist Matejko derjenige polnische Maler der Neuzeit, an welchem sich der Einfluß jener 
Cultnrentwicklung, die wir oben zu schildern versuchten, greifbar Nachweisen läßt. Auch 
bei Grotger fehlt dieser Einfluß nicht, allein er tritt bei ihm nicht so unmittelbar, weniger 
bestimmt umschrieben, weniger greifbar und plastisch hervor. In diesen zwei Künstlern hat 
die polnische Malerei des XIX. Jahrhunderts ihre hervorragendsten und charakteristischesten 
Repräsentanten gefunden. In Grotger's Kunst spiegelten sich Phantasie und Gefühl wieder, 
in jener Matejko's aber die Lebenselemente des Volkes und der Charakter, welchen ihr die 
Vergangenheit verliehen hatte. Man kann sagen, daß sie einander gegenseitig ergänzten. 
Mit dem Tode Matejko's waren die Zeiten der historischen Malerei vorüber. Die 
jüngste, schon in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts geborene Generation, welche ihrer 
großen Mehrzahl nach die jetzt lebende Phalanx ausmacht, wandelt auf anderen Wegen. So 
wie die Gesellschaft heute vor allem mit ihrer inneren Entwicklung, mit ökonomischen und 
socialen Angelegenheiten beschäftigt ist, so haben sich auch die heutigen polnischen Maler 
dem Volke, der Natur und den modernen Ideen und Bestrebungen zugewendet. Alle 
Strömungen, welchen die Kunst der letzten fünfzig Jahre unterworfen war, spiegelten und 
spiegeln sich in ihrer Kunstthätigkeit wieder. Der bis zur höchsten Übertreibung gehende 
Realismus, der Naturalismus mit all seinen Folgen, der Impressionismus mit seinem 
Raffinement coloristischer Abtönung, das aus vielen Gründen so berechtigte »pleiri-nirZ
	        
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