Wir passiren die Station Pustomyty, bekannt, wie die Nachbarortschaft Lubien,
durch ihre heilkräftigen Schwefelbäder. Wir lassen den Markt Szczerzec bei Seite
liegen, um uns an dem Anblick des zu unserer Linken gelegenen, mit einem Kirchlein
gekrönten Gypshügels zu ergötzen, wir bewundern vor Mikokajöw das schöne palastartige
Institut der bereits erwähnten Skarbek'schen Stiftung und gelangen bei der Ortschaft
Rozwadöw zum Dniesterflnß. Dröhnend braust der Zug über die eiserne Brücke, wir
blicken neugierig hinaus und ein Laut der Enttäuschung entschlüpft unseren Lippen! Soll das
derselbe mächtige Strom sein, den wir weiter im Osten kennen gelernt?
Es ist allerdings ein kleiner, unbedeutender Fluß, dem aber doch nicht zu trauen ist.
Bei jedem Hochwasser wird die ganze Gegend überschwemmt, und wir sehen sogar jetzt in
der trockenen Zeit zahlreiche Tümpel und nasse Wiesen, die das ungewöhnlich große
Jnundationsgebiet verrathen. Circa 120.000 Hektar stehen da mehrmals im Jahre
unter Wasser, eine Thatsache, die zwar den Jäger entzückt, da es in diesen Tümpeln
und Sümpfen von Wildenten und Bekassinen wimmelt, dem Landwirth dagegen weniger
willkommen ist.
Die podolische Platte, deren südlichen Steilrand das linke Dniesterufer bildet,
verschwindet allmälig hinter uns, und ein neues geologisches und landschaftliches Element
breitet sich vor unseren Augen aus. Es ist das die subkarpathische Ebene, deren ziemlich
unfruchtbarer Boden aus den Allnvivnen, hauptsächlich Schotter, der Gebirgsflüsse
zusammengesetzt ist.
Die Aussicht gegen Süden ist geradezu reizend. Große dunkle Waldungen bezeichnen
den Übergang von der Ebene zum Gebirge, der schöne, klare Stryjfluß windet sich wie ein
blaues Band durch die Landschaft, weiter südlich erheben sich die diluvialen Flußterrassen,
die die Lage der ehemaligen Flnßbette markiren, und ganz im Hintergründe steigt die
anmnthige, sanft gezackte, mit einzelnen Gipfeln bis über die Baumgrenze emporschießende
Kette der Karpathen in die Höhe, denen kleine Salzthonhiigel vorgelagert sind. In der
hübschen Stadt Stryj, einem Knotenpunkte der galizisch-nngarischen und der Transversal
bahn, wollen wir uns gar nicht länger anfhalten, da es uns zu mächtig in die schöne
freie Natur hinaus zieht.
Außerhalb der Stadt wendet sich die Bahn nach Südwesten. Immer deutlicher tritt
das Gebirge hervor, die vorderen Ketten werden immer höher und lassen die dahinter
liegenden verschwinden. Bald können wir die Almen und die Wälder auf dem höchsten
Paraszka-Zekemin-Kamme unterscheiden. Zn beiden Seiten des Flusses erstrecken sich die
scheinbar undurchdringlichen Wälder der Vvrberge. Gerade vor uns dräuen die riesigen Forste
der Staatsdomäne Lisowiee, die durch ihren Wildstand berühmt ist. In den Bacheinrissen
und an den Ufern des Stromes sieht inan Schichten der Salzthonformation anstehend.
Galizien.