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erzählt, wie sie eben den Anwesenden durch den Kvpf ziehen. Jeder trägt nach Maßgabe
seines Wissens nnd Erinnerns dazn bei.
Stark verbreitet und gleichmäßig über das ganze Land zerstreut ist die Natur- und
geographische Sage. Sie erzählt von Vergletscherungen der Almen (Pasterze, Hochalm
spitze), von Beben und Bergstürzen (Villacher Alpe, Reiskofel), von Güssen nnd Muhren
(Klansenkofel, Steinfeld, Weißenstein), von der Entstehung seltsamer Relieffvrmen des
Bodens in Gebirge, Thal nnd Ebene (Öfen, Palfen, Jnngfernsprüngen, Kanzeln,
erratischen Blocken), von der Entstehung der heutigen Thäler aus früheren Seen (Möll-
thal, Malnitzthal, Lieserthal, Glödnizthal, Metnizthal, Lavantthal, Gutensteinerthal), sie
redet von Sümpfen und Seen, in denen ganze Ortschaften versunken sind (Wörther See,
Längste, Hörafeld), von Bächen und Flüssen, die ihren Lauf geändert (Gail, Moll, Dran)
oder über die Ufer tretend arge Verwüstungen angerichtet haben (Lammerbach bei Kötschach,
Rinsenbach bei Reisach), von Brunnen und Quellen, ihrer Entstehung, der Wunderkraft
ihrer Wässer und dergleichen. Es ist ein Stück Erd- nnd Landesgeschichte, was in den
zahlreichen Exemplaren dieser Sagengattung uns entgegentritt.
Ihr reiht sich, was die Menge der Überlieferungen betrifft, die historische Sage an.
Name und Entstehung der Ortschaften, ihre Wahrzeichen und sonstigen Merkwürdigkeiten,
ihre Schicksale, ihr Verfall und Untergang geben hauptsächlich den Stoff zu den Sagen
dieser Gruppe. Daneben beschäftigen sie wieder die Schicksale Einzelner wie ganzer
Geschlechter, welche in der Geschichte des Landes eine Rolle gespielt haben. — Die
Gestalten des Herzogs Ingo, der Hildegard von Stein (zu Stein und Möchling im
Jaunthal), der Gräfin Hemma (zu Gurk, Friesach-Zeltschach), des Grafen Ottwin von
Lnrn und Pusterthal (zu St. Georgen am Längste), des Königs Boleslaus von Polen
(zu Ossiach), des Dünen Briceius (Heiligenblnt), der Gräfin Margaretha Maultasch
(an verschiedenen Punkten, insbesondere aber zu Osterwitz), des Salzburger Erzbischofs
Leonhard von Keutschach (zu Tanzenberg und Takenbrunn), der Gräfin Salamanka
(Ortenburg-Spital) nnd andere mehr ziehen im Spiegel der Sage an uns vorüber. Selbst
Persönlichkeiten der neueren und neuesten Zeit werden vom Zauber derselben umsponnen,
wie der Ritter von Boor (der Schloßherr und Falschmünzer zu Rosegg), Baron Kranz
(Gewerke zu Matschig und Tröpelach) und Kaiser Napoleon (Gail- und Nosenthal). In
dieser Gruppe erscheint ferner die Sage von den Einfällen und Verwüstungen der Türken,
endlich die Wülschensage (Sage von den „wülschen-" oder „Venediger Manndln"), welche
in überreicher Menge auftretend regelmäßig die Spuren der Bergbaue zu begleiten Pflegt.
Theilweise mit der historischen Sage zusammenhängend versetzt uns die dritte Gruppe
der kärntnischen Sagen, jene welche man gewöhnlich mit dem Namen Mythen bezeichnet,
in noch größere Tiefe der Zeiten. Ein beträchtlicher Theil der Gestalten, welche in dieser