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Bei Pokhorn kommen der Moll die Wässer der vereinigten großen und kleinen Fleiß
zu, die ihr von den Schätzen der Goldzeche erzählen und den kühnen Bergleuten, die über
dem ewigen Eis sich ihre Hütte gebaut und der wilden Natur die Schätze der Tiefe
abtrotzten. Wenn sie an Döllach vorüberwallt, gedenkt die Moll wohl der glänzenden
Tage, die dieser Hanptort von Großkirchheim (das obere Möllthal) einst durchlebte, als noch
der Segen des Goldberges sich in das Thal ergoß. An dem freundlichen Sagritz vorüber
drängt sie sich durch die Thalenge von Mörtschach in südlicher Richtung bis Winklern, wo
ihr die Vorberge der Kreuzeckgruppe die Richtung gegen Nordosten anweisen.
Im vollen Glanze der Morgensonne liegt das aufblühende Winklern am wohl
bebauten Abhange des Penzelberges und vermittelt den Verkehr zwischen Dölsach und
Lienz im Pusterthale einerseits und dem oberen Möllthale anderseits. Auf einer weiten
Strecke liegt von Winklern aus das mittlere Möllthal dem Auge offen. Ortschaften, wie
Lainach, Rangersdorf, Stall wechseln mit einzelnen Gehöften, emsig bebaute Äcker mit
wohlgepflegten Wiesen, daran dunkle Fichtenwälder, welche besonders die Südseite des
Thales bedecken.
Unterhalb Stall bildet der Klausenkofel eine förmliche Thalsperre. Aus einem am
nördlichen Gehänge steil abfallenden Graben wirft ein leicht anschwellender Bach seit 1828
Massen von Gerölle in die Thalsohle und hemmt die Wässer der Möll derart, daß ober
halb bei der Ortschaft Gößnitz in den letzten zwanzig Jahren ein See grüne Wiesen unter
seinem Wasser begraben konnte, unterhalb aber gegen Fragant hin andere Wiesen und
Felder sich in Schutthalden verwandelten. In den letzten Jahren versuchte man dem
verheerenden Elemente mit großartigen Schutzbauten Einhalt zu thun. Hier vollzieht sich vor
dem Auge der Gegenwart die Bildung eines Alluvialkegels, eine Bodenform, die für
die Thalsohle des Möllthales in seiner ganzen Ausdehnung charakteristisch ist. Die Mehr
zahl der Ortschaften von Mühldorf bis Großkirchheim liegen auf Bodenanschwellungen,
welche sich als alte Allnvien kennzeichnen. Über das Gerölle der Vorzeit hat sich freundlicher
Rasen gebreitet, Bäume haben in demselben Nahrung gefunden und die Menschen bauten
ihre Hütten mit Vorliebe an den Rand der Bergwässer, die oft genug noch ihre wilde
Natur hervorkehren.
Nun erweitert sich das Thal und wendet sich allmälig gegen Südosten, um ins
Längenthal der Drau auszumünden. Vor der Ausmündung aber bildet der isolirte Fels
kegel des Danielsberges mit dem Alluvium von Napplach eine abermalige Thalsperre.
Auf seiner Höhe von 960 Meter gestattet er einen Überblick über das untere Möllthal
wie kein zweiter Punkt. Im Nordwesten deutet der stattliche Kirchthurm und das Schloß
Trabuschgen auf den Marktflecken Ober-Vellach, den einzigen, der im ganzen Möllthal
sich entwickeln konnte. Auch hier erzählt Vieles von der verschwundenen Pracht jener Tage,