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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Kärnten und Krain

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So wuchs aus Tristans Grab eine Rebe, aus Isoldens Grab eine Rose und 
Ähnliches kommt auch in schwedischen Liedern vor. In einem serbischen Liede wächst aus 
seinem Grabe eine Tanne, aus ihrem eine Rose. Am nächsten unserem Liede steht ein 
slovenisches Lied: „Der Scheintodte", das in Anastasius Grüns Liedern aus Krain deutsch 
zu lesen ist. Es ist viel- unvollständiger und kürzer. Der schöne Schluß fehlt ganz. 
Eine andere merkwürdige Ballade besingt sehr skizzenhaft einen gelösten Fluch. 
Die Geliebte verflucht den treulosen Geliebten, der ihr gesagt hatte, er habe schon eine 
andere Geliebte, die an seinem Hauptkissen sitzt. Sie wünscht ihm Krankheit, daß das 
Fleisch ihm vom Gebein faule und die Seele sich vom Leib nicht könne trennen. Dies tritt 
ein und er sendet nach der verlassenen Geliebten, daß sie komme, um den Fluch zu lösen. 
Es erinnert dies an Tristan, der verwundet liegt, gepflegt von Isolde Weißhand, und 
nach seiner ersten Geliebten, der blonden Isolde, sendet. In unserer Ballade erwiedert 
die Verlassene auf zwei Sendungen: Er hat schon eine andere Geliebte, die bei seinem 
Hauptkissen sitzet. Erst auf die dritte Sendung kommt sie und nun löst sich seine Seele 
und fliegt als Taube zum Himmel. So ist auch die Ballade vom Ulinger, dem Mädchen 
mörder, in Gottschee zu Hause mit der schönen Variante, daß der Ritter auf die Frage 
der Entführten: was die Tauben singen (daß nämlich der Ritter schon eilf Jungfrauen 
umgebracht)? die Antwort gibt: sie singen so ein Lied, wie sie im Lande thun singen! — 
Das werthvollste Stück in literarischer Hinsicht ist aber die Ballade, die Bürgers „Lenore" 
hervorgerufen hat. Sie wird in Gottschee gesungen, und obwohl der Name Leonore nicht 
vorkommt und der Text sich natürlich ganz eigenthümlich ansgestaltet hat, so fehlt doch 
selbst wörtlicher Anklang nicht, indem sonst das Ganze höchst kunstlosen ursprünglichen 
Volksliedcharakter trägt, so daß ein Einfluß der Ballade Bürgers nicht denkbar ist. 
Es waren zwei Liebende, 
Der Geliebte ist ins Heer geschrieben. 
Ins Heer muß er marschiren. 
Also spricht die Geliebte: 
So komm nur, Geliebter, zu sagen, 
Sei es lebendig oder todter, 
Wie's dir im Kriege wird ergehn. 
Einmal klopft an der Geliebte: 
So thust du, Geliebte, nicht schlafen? 
Oder thust du, Geliebte, wachen? 
Ich thu, Geliebter, nicht schlafen. 
Ich thu, Geliebter, wachen. 
Komm heraus, komm heraus, meine Geliebte. 
Und heraus kommt die Geliebte. 
Er nimmt sie bei schneeweißer Hand, 
Er hebt sie auf sein hohes Roß; 
Sie reiten dahin, weg. 
So thust du, Geliebte, dich nicht fürchten? 
Oder thust du, Geliebte, dich fürchten? 
Wie werd ich, Geliebter, mich fürchten, 
Wenn du, Geliebter, bist bei mir? 
Wie edel (für helle) da scheint der Mond, 
Wie leise reiten die Todten! 
Sie reiten dahin zum Kirchlein, 
Jawohl dahin auf den grünen Friedhof. 
Also spricht da der Geliebte: 
Ruck dich, ruck dich Marmelstein, 
Spalte dich, spalte dich kohlschwarze Erde.
	        
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