MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Das Küstenland (Görz, Gradiska, Triest und Istrien)

16 
Grado vor vielen Orten des Küstenlandes voraus, nämlich einen sandigen Meeresstrand, 
welcher dem Wogenschlag der offenen See freisteht. Es ist eine lange Düne, gerade dem 
Süden und der Breitfläche des Meeres entgegengestreckt — nicht im Hintergründe eines 
Golfes verborgen, nicht mit Geröllboden oder jäh abfallenden Tiefen, sondern ein flacher 
Sandstrand, in dessen wohligem Wasser ein längerer Genuß der Salzflut möglich ist als 
in den Bädern der Nordmeere. 
Fahrten durch die Lagunenkanäle bieten eine Menge von anziehenden Bildern. Man 
würde oft vermeinen, daß man sich irgendwo in der Gegend von Rotterdam oder Schiedam 
bewege, wären die mächtigen Hochgebirge nicht, deren Halbrund die Schaubühne im 
Norden umspannt. Grado und Porto Buso waren einst die Häfen von Aquileja, elfteres 
Kriegshafen, in welchem ein Theil der ravennatischen Flotte hinter der schützenden Düne 
ankerte, letzteres Handelshafen, von wo ans auf dem Natiso (Natisone), der zu jener Zeit 
an Aquileja vorüberfloß, die kostbarsten Maaren des Ostens nach der großen Stadt 
gebracht wurden. Heute sieht man längs dieser Kanäle Strohhütten, vor welchen Netze 
trocknen, Schlammflüchen, auf welchen bleiche Weiber und Kinder nach allerhand Seegethier 
suchen, weite Schilfgründe mit gelben Wasserlilien, hier und da in der Ferne ein orange 
farbiges Chiozzotensegel, Binsenmauern um abgeschlossene Räume, in welchen die Fische 
aufgehalten werden, welche die Flut hineinträgt, — dort der letzte Baum, der vom Fest 
lande her in diese amphibische Gegend vorgewandert ist, eine zerzauste Pinie ans gelber 
Düne und hinter ihr das tiefe Blau des Meeres mit seinen Schaumstreifen. Da und 
dort sieht man Pfähle zum Anbinden der Schiffe, einen Kahn, von einem Weib gerudert, 
der Fische nach Aquileja bringt. Bald bemerkt man das Einströmen der Flut in die Kanäle, 
bald führt man durch eine gewundene Wassergasse, in welcher das Röhricht Schlamm 
marken der abgeflossenen Flut anfweist, bald verspürt man am stärkeren Wellenschlag das 
Hereinbrechen des offenen Meeres. Jetzt geht der Wanderer, wenn er Vorsicht gebraucht, 
trockenen Fußes über die graue Fläche. Wenige Stunden später, und sie wird hüftenhoch 
vom Brackwasser überrauscht. Jetzt weht erfrischende Luft vom beschneiten Monte Cavallo 
herab, dann kommt uns wieder der moderige Schlammgeruch des unsicheren Ufers 
entgegen, auf dessen Breibodcn im Sonnenlichte fortwährend mit leisein Geknister Wasser 
blasen platzen. 
Von dieser Landschaft wenden wir uns wieder nach der Stadt Aquileja, welche von 
Grado in nördlicher Richtung zehn Kilometer entfernt ist. In einer landschaftlichen 
Beschreibung kann nach dem Gesagten nicht viel Raum für einen verlassenen Ort sein, 
von dessen alten Gebäuden nichts mehr übrig ist. Doch mag hier erwähnt sein, daß die 
Verwunderung darüber, wie es möglich war, eine Stadt von mehreren hunderttausend 
Einwohnern in solcher Weise zu zerstören, sich mindern wird, wenn man erführt, daß der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.