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daß bei der Wer
bung mehr Vater
und Mutter, als die
Liebe der Tochter
über die Zukunft der
letzteren entscheidet.
Freiere Wahl hat
der heiratsfähige
Sohn; die Tochter
ist meistens darauf
angewiesen, sich der
Entscheidung der
Eltern unbedingt
zu fugen.
Deshalb nimmt
auch das ruthenische
Mädchen nicht blos
aus Neugier zu
vielfachen Liebes-
orakeln, zu Wahr
sagerinnen und Be
sprecherinnen seine Zuflucht. Für das
Dorfmädchen ist das Liebesorakel ein
Schicksalsspruch, dem es sich oft zu
seiner Beruhigung willenlos unter
wirft. Die erste Frage jeder Dorf-
schönen ist wohl die, ob und wie viele
Freier sie haben werde. Zu diesem
Zwecke streut das Mädchen am Vor
abende des Andreasfestes Hanfkörner
in der Holzkammer ans, und schleift sein Unterkleid (Irorbotüa) darüber hinweg, indem
es spricht:
Bolkschpen aus der Pruthgcgeud.
„Andreas, Andreas! > Gebe mir sogleich hier kund,
Ich säe Hanf ohn' Unterlaß; ^ Mit wem ich schließ' den Herzcnsbund."
So viele Körner an dem Unterkleid hängen bleiben, so viele Freier stehen im
folgenden Jahre in Aussicht. Will das Mädchen wissen, von welcher Dorfseite her der