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Die Polen gelten allgemein als gut kirchlich gesinnt. Auf die festliche Begehung der
Feiertage legen die Polen großes Gewicht, und die von ihnen beobachteten Sitten sind auch
bei den römisch-katholischen Deutschen der Bukowina vielfach zur Geltung gekommen. So
ist zum Beispiel der Brauch, daß am heiligen Weihnachtsabend vor dem Festmahle alle
Anwesenden gemeinsam eine Oblate genießen und sich hiebei beglückwünschen, offenbar
polnischen Ursprungs. Auch die Weihnachtsgesänge und die Puppenspiele der meisten
Weihnachtssänger in den Städten, besonders in Czernowitz, weisen einen ganz offenbar
polnischen Charakter auf. Die schönen Lieder ,^niol pkmtMoin inürviU und Llodie
I6L7- klingen zur Weihnachtszeit auch in der Bukowina, und zwar nicht nur in polnischen
Häusern häufig wieder. Die Begleitworte zu den Aufführungen in den kleinen Puppen
theatern srvoi'topa), welche die Weihnachtssänger mit sich tragen, sind immer polnisch. Ilm
dieses Puppentheater herzustellcn, wird die auch anderwärts übliche Krippe mit dem Jesns-
kindchen, mit Maria und Josef, dem Esel und Ochsen und so weiter mit einem Doppel
boden versehen. Die beiden Böden stehen so weit von einander ab, daß derjenige, welcher
das Spiel leitet, von rückwärts die Arme in diesen Raum stecken kann und die Figuren,
indem er sie durch eine hiezu bestimmte Öffnung des oberen Bodenv emporhält, in
Bewegung setzt. Dazu singt oder spricht er die den einzelnen Figuren in den Mund gelegten
Worte. Der Text ist witzig gehalten und entbehrt nicht derber Spässe; insbesondere der
Teufel und der Jude müssen herhalten. Als Jude ist übrigens auch einer der Weihnachts
sänger verkleidet; er ist zugleich Spaßmacher und Prügelknabe. Zwischen ihm und einem
der anderen Weihnachtssänger entspinnt sich stets ein lebhafter Dialog. Auch kommt ein
Weihnachtsspiel vor, bei welchem die als Könige, Ritter u. s. w. vermummten Weihnachts
sänger lebhafte Unterredungen führen und sich mit ihren Waffen bedrohen. Besonder^
feierlich wird auch das Osterfest begangen. Erstaunlich ist die Menge der Speisen und
Getränke, welche für dieses Fest vorbereitet werden. Da alle diese Speisen geweiht werden,
so werden sie mit dem Gesammtnamen »srviqeono" bezeichnet. Dieser Ausdruck wird oft
auch von den Deutschen gebraucht, die diesen Brauch ihrer polnischen Glaubensbrüder zu
dem ihren gemacht haben. Insbesondere hat die Sitte „auf Geweihtes" zu gehen und die
dafür gebräuchliche polnische Bezeichnung »na srvitzeona" keine geringe Verbreitung
gefunden. Am Ostersonntag vormittags beginnen diese Wanderungen von Haus zu Haus,
um in jedem etwas von den geweihten Speisen, Schinken, Würsten, Eiern n. s. w. zu
genießen und hiezu verschiedenartige Getränke zu sich zu nehmen. Mitunter nehmen diese
Besuche die Form von recht unerquicklichem Treiben und Jagen an, besonders wenn sie
auch den zweiten und den dritten Ostertag andauern. Erwähnenswert ist schließlich noch,
daß auch bei ven Polen der Bukowina am Andreasabend vielfache Orakel angestellt werden.
Wie anderwärts so gießen auck, die polnischen Schönen der Bukowina am Vorabende des