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auf einem zweiten Hügel steht, auf ein aufrecht stehendes Mauerwerk nordwärts an der
Berglehne, auf die längst aufgegebene stattliche Mirautzerkirche und endlich auf einen sehr
hohen Thurm, der heute elegant umfriedet, ganz isolirt dasteht, aber vor einigen Decennien
noch die Reste einer kirchlichen Baulichkeit neben sich hatte. Suczawa ist heute allerdings
rühriger, als es vor Jahren war; denn die Fürsorge der kaiserlichen Regierung hat der
alten Stadt manche wohlwollende Neuerung zugeführt, so das griechisch-orientalische
Obergymnasium, das k. k. Kreisgericht rc. Auch baulich hebt sich die Stadt von Jahr zu
Jahr. Von den acht Kirchen, die — mit Ausnahme der römisch-katholischen — alter-
thümliche Bauten im byzantinischen Stile sind, gehören fünf der orientalischen und zwei
der armenischen Bevölkerung; alle jedoch sind in ihrem Inneren gleichmäßig luxuriös
ausgestattet. Die Pfarrkirche zum heiligen Georg, die die sterblichen Überreste Johannes'
Novi, des Landespatrons der Bukowina, birgt, ist die Hauptkirche der griechisch
orientalischen Bevölkerung und durch ihre Reliquien der Anziehungspunkt großartiger
Wallfahrten, an welchen sich am St. Johannestage 15.000 bis 20.000 Menschen aus
allen Theilen des Landes, wie nicht minder aus Galizien, Ungarn und der Moldau
betheiligen. Besonders schön ist die Lage der armenischen Kirche zu Zamka, welche sich
über einen Felsen erhebt, der westlich steil abfällt und von seiner Höhe eine überaus
malerische Fernsicht über die Ortschaften St. Jllie, Skeja Bunintza und einen Theil
des Snczawathales gewährt.
Von der Stadt, in deren Süden die Höhen- und landschaftlichen Verhältnisse jener
Hügel sich wiederholen, auf deren Rücken die Reichsstraße uns bis hierher geführt, wird
das Suczawathal etwa dreißig Kilometer weit zur Grenze zwischen der Bukowina und
Rumänien. Der schöne Fluß bietet des allgemeinen Interesses zu viel, als daß wir ihn
nicht auch stromaufwärts verfolgen müßten. Wir möchten in dem Sinne, wie der Ungar
die Theiß als seinen Hauptstrom auffaßt, ihn auch als den Hauptstrom der Bukowina
betrachten; denn sein Quellgebiet, wie nicht minder seine namhaftere Entwicklung liegt im
Rahmen seines Heimatslandes. Hier ist er geboren, hier ist er zum ansehnlichen Fluß
geworden; er kommt nicht aus der Fremde und setzt auch keinerlei Hoffnungen in die
Fremde. Thäte er dies, so würde er sich arg täuschen, denn sein Name geht in der
Fremde fast spurlos verloren und er selbst sinkt herab zu einem Diener seines nördlichen
Bukowiner Kollegen, des Sereth, dem er behilflich wird, in Rumänien ein stattlicher Strom
zu werden. Ist er es doch schon in der Bukowina! Wer ihn in den Überschwemmungstagen
des Jahres 1893 gesehen hat, der mußte beim Anblick seiner Hochfluten jenes Grauen
empfinden, das das menschliche Gemüth heimlich durchzittert, wenn uns entfesselte Elemente
am Leben und Gut bedrohen. In allen Tonarten heulte der Sturm, die Fluten brüllten und
die gewaltige Brücke bei Jtzkany, dreihundert Schritte lang, solid gebaut, mit riesigen