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geneigten Stollen, der sich bald zu Mannesbreite und -Höhe verengt, bald zu förmlichen
Hallen erweitert, und dessen zackiges Gestein an manchen Stellen von den Fluten platt
geschliffen erscheint. Ein Wassertümpel von ungemessener Tiefe wird auf einem Floß über
setzt, und schließlich setzt ein kleiner, von steilen Wänden eingefaßter See der Wanderung
ein Ziel.
Dagegen zeigt der Opaki-Ponor einige hundert Schritte weiter nur eine weite
steinige Mulde mit einem Riß am Grunde, durch den der Abfluß des Wassers geschieht.
Daneben sieht man das Ploca-Flüßchen in dem Bristavi-Ponor enden, der das Wasser,
es langsam im Kreise drehend, gemächlich aufsaugt, und selbst im Hochsommer bezeugen
Sumpf und giftgrüne Pfützen ringsum die Langsamkeit seiner Action. Umso gieriger ist
dafür der Veliki-Ponor, ein ausgesprochener Trichter von etwa 50 Meter Durchmesser und
25 Meter Tiefe. Wenn im Herbste das Wasser immer reichlicher aus den gegenüberliegenden
Bergen quillt, wenn all die Wasseradern sich füllen, dann ist plötzlich der Moment da, in
dem die kleinen allwärts im Terrain vorkommenden Ponors nicht mehr genügend
functioniren und die Fluten über die Ebene strömen. Donnernd stürzen sie sich hinein in
den Kameniti-Ponor, die in den Schutthalden vor dem Höhleneingange nistenden Tauben
und Schlangen verscheuchend; die beiden anderen Ponors schlürfen und saugen an dem
Element, aber der Veliki-Ponor wird immer wieder leer. Ist sein Trichter voll, so hört
man ein Gurgeln — ein gewaltiges Schlucken und das Wasser ist verschwunden. So macht
er Schluck auf Schluck, und nur bei hohem Wasserstande im Frühlinge bleibt auch der
Unersättliche zeitweilig gefüllt.
Von den verfallenden Werken, welche den jähen Absturz des Terrains zum
Livanjsko-Polje krönen, und unter denen noch ein „Römerthurm" gezeigt wird, steigt das
Städtchen Livno im wirren Durcheinander hinab, für seine Häuschen eine Stütze an den
Quadern der Festungsmauer suchend. Alles Grau in Grau. Grau sind die unverputzten
Mauern der Häuser mit ihren Steindächern; grau die dicken, hohen, ohne Mörtel aufge
schlichteten Gartenmauern. Aber da und dort legt sich eine tiefgrüne Rebenranke über das
Grau, und auf den Mauern oben kauern Kinder nebeneinander, wie ein Paar Farbenklexe,
und lugen in die stillen Berggassen hinab.
Über Trümmergestein klimmen die Wege von den tiefer liegenden Poljes in müh
seligen Windungen hinauf auf das höchst gelegene Plateau des ganzen Occupations-
gebietes, auf das Kupresko-Polje.
Hier ist das Reich schweigsamer Hirten. Die weiten Grasflächen erheben sich am
Horizonte ringsum zu sanften Randerhöhungen, auf welchen die tiefgehenden Wolken
ruhen, und zahllose Herden weidenden Viehes sind über die Wiesen zerstreut, auf welchen
das monotone Klagelied der Bora niemals verstummt. Für Kupres gilt die bosnische