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etwas Grammatik gelehrt wurden.) Schwer lastete auf dem Volke der Kindertribut. Alle
drei bis vier Jahre wurden von 300 bis 1000 Kinder und Jünglinge bis zu 15 Jahren
zusammengetrieben und zu den Janitscharen genommen. Man half sich dagegen theils
mit Geldopfern, theils daß die Kinder schon mit zehn bis elf Jahren verheiratet wurden.
Doch trotz dieser Maßregelungen zeigen sich schon auch jene Momente, welche bald nachher
den ausschlaggebenden Charakter der politischen Lage Bosniens und der Hercegovina
bilden. Die Begeisterung der Mohammedaner für den heiligen Krieg war erloschen; die
Janitscharen, besonders in der Hercegovina und im Sandzak Novibazar, wurden einfach
zu Wegelagerern, und bei den Truppen riß eine Disciplinlosigkeit ein, die namentlich
die Besatzungen der Grenzländer demoralisirte. Die Streitkräfte an der nngarisch-
habsburgischen und siebenbürgischen Grenze bildeten nunmehr den Kern der ganzen
militärischen Macht, und in Bosnien begnügte man sich, abgesehen von den Festungs-
trnppen, mit sehr wenig Janitscharen und der einheimischen „Jnsurrection". Die Begs,
das heißt die mohammedanischen Gutsbesitzer hielten es offen mit den Janitscharen und
schon unter der Statthalterschaft Abasa Mehemed Pascha (1628), dann sieben Jahre
später unter Sali Mostarli empörten sich die Janitscharen und Vornehmen einmüthig
gegen den Pascha. Die erste Empörung hatte den Charakter einer Revolution, die sich
gegen die Tendenz des Statthalters, Ordnung zu schaffen, richtete; im zweiten Falle
trug die Schuld die Bedrückung durch eine ungesetzliche Steuer. Diese Meutereien sind schon
aus dem Umstande erklärlich, weil Bosnien mit dem militärisch untergeordneten Sandschak
Pvzega (Usaiat Uosna mü'-i livü'-i Uo/sZa) 13.578 Mann Besatzungen hatte (aufgezählt
im 1627 Defter), die eine jährliche Sustentation von 515.880 Dueaten (ein Ducaten
zu 60 Akce), das ist beinahe 3 Millionen Gulden beanspruchten. Zur Aufbringung
dieser nur am Papier beanspruchten Summe wurde die Steuerschraube desto schärfer
angewendet. Beide Bewegungen wurden unterdrückt, aber schon zeigte sich der nunmehr
unauslöschliche Gegensatz zwischen der kaiserlichen Centralregierung und der bosnischen,
besitzenden Classe, welche zwar die Oberherrlichkeit des Sultans anerkennt und die Reinheit
des Glaubens betont, aber sich mit den aus der Fremde gesendeten Valis nie zufrieden gibt.
Besonders bedrückt wurde die orthodoxe Bevölkerung im Sandzak Novibazar und in Alt
serbien, welche nun als Hirten und Kmeten in die entvölkerten bosnischen Gaue einwanderte.
Diese Emigration, die oft auch die Folge von Hnngersnoth war, währte bis zu Anfang des
XIX. Jahrhunderts und wurde durch die einzelnen Kriege begünstigt. Durch diese orthodoxe
Einwanderung entstand das heutige ethnographische Bild des adriatischen Dreieckes.
Während die habsburgische Politik bis zum westphülischen Frieden den 30jährigen
Weltkrieg auszufechten hatte, und die türkische Oberhoheit nur mit Unterstützung Gabriel
Bethlens und Räkoczys sich in Ungarn aufrecht erhalten konnte, die Venetianer aber