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nichts daran gelegen, wie und in welcher Weise die Einheimischen geschunden wurden, sie
nahmen Geld, von wem immer sie es bekamen. Nichts ist bezeichnender, als daß die
Pforte bald darauf einen Ferman erließ, der die Korruption der Beamten anfheben sollte.
Doch um gerecht zu sein, darf man nicht außeracht lassen, daß die auswärtigen Ver
hältnisse keineswegs günstig genug waren, um den türkischen Bestrebungen Zeit zu lassen.
Im Jahre 1853 entbrannte der Krimkrieg, und die orientalische Frage trat auf die
Tagesordnung Europas.
Wir sehen nun Christen-Aufstände in der Hercegovina, Montenegro als säcnla-
risirtes Fürstenthum für seine Unabhängigkeit und Vergrößerung kämpfen, Serbien
die Türken aus seinen Festungen vertreiben, Rumänien als geeinigtes Fürstenthum
entstehen, endlich auch die bulgarische Frage in Fluß gerathen — kurz, die Balkanfrage
kam ins Rollen.
In der Haltung des Wiener Hofes spielt die bosnische Frage eine große Rolle.
Auch die Protection der Katholiken Bosniens und der Hercegovina wurde nie außer
Acht gelassen und sowohl der kirchliche Zusammenhang zwischen den bosnischen Francis-
canern und unserer Monarchie befestigt, als auch die Unterstützung der christlichen
Forderungen bei der Pforte mit vieler Wärme betrieben. Es war ein bedeutsamer
Moment in der Geschichte Bosniens, als am 6. Januar 1851 zum erstenmale die
Standarte der Habsburger auf dem Consulatsgebäude gehißt wurde; die Christen
erblickten darin den Anbruch einer neuen Zeit, und die Mohammedaner sahen still
schweigend zu; der allgemeine Eindruck war ein nachhaltiger. Beim Friedensschlüsse
in Paris begnügte sich Österreich mit der moralischen Befestigung seines Einflusses
in der nordwestlichen Hälfte der Balkanhalbinsel. Mehr wollte damals die österreichische
Politik nicht erreichen. Doch ist es bezeichnend, daß schon damals Feldmarschall Radetzky
die Sicherung der militärischen Machtstellung der Monarchie in der Erwerbung Bosniens
und der Hercegovina und sogar noch weiteren Gebiets bis tief in den Süden der
Balkanhalbinsel hinab erblickte, wie denn auch später Tegetthoff die dalmatinische Küste
nur dann als einen activen Bestandtheil der Monarchie betrachten wollte, wenn sie
mit Bosnien vereinigt, der Monarchie einen ausgiebigen Raum auf der terra llrma
gewähren würde.
Infolge der politischen Lage und der noch immer starken Widerstandskraft
des türkischen Volkes blieben Bosnien und die Hercegovina auch nach dem Pariser
Frieden im Verbände des ottomanischen Reiches, und diese Provinzen theilten die Geschicke
der übrigen. Wie im ganzen Reiche, so wurde auch hier der große Concessions-Hat vom
Jahre 1856 verkündet; die neue türkische Herrschaft vegetirte auf Grundlage der alten
Überlieferungen weiter. Doch das Verhältniß änderte sich. Die christliche Bevölkerung
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