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dortigen Schluchten namentlich zur Winterszeit eine Menge Schwarzwild beherbergen.
Untertags tummelt sich hier in den Baumkronen das Eichhörnchen, im ganzen Lande blos
in schwarzer Färbung vorkommend, des Nachts dagegen der gefräßige Siebenschläfer. Die
höheren Lagen krönt schon Nadelholz und dadurch ist dann weiter die Erklärung eines
viel abwechslungsreicheren Thierlebens gegeben. Hier balzt der stolze Auerhahn am
zeitlichsten im ganzen Lande, und zur selben Zeit verrüth das „Trommeln" zahlreicher
Spechte den nahenden Lenz. Unter den letzteren finden wir außer dem Schwarzspecht, der
zum Glück noch ungezählte Jahre keinen Wohnungsmangel empfinden wird, auch eine
charakteristische Balkan-Form: den Lilford- oder Hellenenspecht, und zwar recht häufig.
An den klaren Bergwässern treibt die Bachamsel ihr munteres Spiel und im Gezweige
erfreut uns das ewig bewegliche Meisenvolk.
Ein ganz anderes Bild zeigt das Thierleben in der Nähe menschlicher Ansiedelungen.
Gerade hier macht sich am meisten die Nähe des Orientes geltend und bemerkbar. Es herrscht
nämlich ein inniges Zusammenleben zwischen Mensch und Thier, und Dank dem mohamme
danischen Glauben ist die Thierwelt seit den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag
nahezu unverändert geblieben — der Koran wirkte in dieser Hinsicht weit ausgiebiger
als alle Vogelschutzgesetze der modernen Staaten zusammengenommen.
Erst dieCulturarbeit der letzten Jahre hat merklich verändernd indiesespatriarchalische
Bild eingegriffen; aber dennoch haben selbst die größten Städte Bosniens ihre hin- und
herwogenden Dohlenschwärme nicht verloren; es baut die geschwätzige Elster ihr Korbnest
noch ruhig in den Gärten von Sarajevo, und es macht sich's der zudringliche Feldspatz
selbst in den Neubauten bequem. Nur die verwilderten Hunde und der hochintelligente,
scheue Kolkrabe sind aus dem Gebiete der größeren Städte endgiltig verschwunden. Freilich
haben ihre Lieblingsplätze, die früheren türkischen Schlachthäuser, nunmehr modernen
Einrichtungen Platz gemacht.
Die begonnene Wanderung gegen Süden fortsetzend sieht man immer hoher und
höher die Bergmassen sich aufthürinen, während die Wälder sich immer mehr verdichten und
immer größere Landstrecken imZusammenhange bedecken— es sind die eigentlichen Urwälder
Central-und Süd-Bosniens. Fast hat es den Anschein, als ob da wenig Thierleben zu finden
wäre, und doch lebt gerade hier der mächtigste Vertreter der Landesfauna m ungeahnter
Zahl — wenngleich auf großem Flächenausmaße vertheilt — der Bär. Von Natur aus gut-
müthig und größtenteils Vegetarianer, wird er doch ab und zu zum Schrecken der Hirten, die
dann im Verein mit den Behörden und allen verfügbaren Waidgenossen aus der Monarchie
Alles aufbieten, um des armen Petz sammt der officiellen Taglia habhaft zu werden.
Aber auch viele andere Thiergestalten birgt der geheimnisvolle bosnische Urwald.
In seinem düsteren Schatten zeigt sich auch unter Tags die sonst so seltene Habichtseule