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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Bosnien und Hercegovina

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Augen betrachtet. Martic ist mit anderen Worten zugleich ein selbstbewußter Künstler, der 
auch auf die gebildete Gesellschaft im Sinne und Interesse seiner Leidensgefährten einzu 
wirken versteht. Das beweisen die treffenden Schilderungen von Land und Leuten und 
ihren blutigen Fehden; dafür zeugt auch seine hervorragende Gestaltungsgabe, die ihm 
gestattet, so viele Persönlichkeiten und Ereignisse zur harmonischen Einheit zu verschmelzen. 
Mit besonderer Sorgfalt sind die Charaktere der Protagonisten entworfen; das Haupt 
merkmal seiner Muse aber ist Gerechtigkeit, denn während er die Tugenden der unglücklichen 
Raja preist, anerkennt und feiert er, wie es die Objectivität der Epik erheischt, auch die 
ungestüme Tapferkeit ihrer Bedrücker. Gibt er doch wiederholt der Hoffnung Raum, daß 
sich die durch religiösen Fanatismus entzweiten Brüder unter dem mildernden Einflüsse 
einer höheren Civilisation wieder aussöhnen werden, um ihre bisher nutzlos verschwendete 
Kraft gemeinsamen Culturaufgaben zu widmen. 
Von dieser Höhe der Gesinnung überblickt und verfolgt der greise Dichter auch heute 
noch die Reibungen unter seinen Brüdern, und wenn seine Werke erst so bekannt sein 
werden, wie sie es in ethischer und künstlerischer Hinsicht verdienen, dann wird man auch 
allgemein der Ansicht jenes dalmatinischen Kritikers beistimmen, der Fra Grgo Martic 
den größten südslavischen Epiker des XIX. Jahrhunderts genannt hat. 
Neben den genannten drei Koryphäen bethätigten sich Fra Martin Nedic und 
der Hercegovee Bakula als Dichter, Fra Antun Knezevic, Mijo Batinic u. A. als 
Historiker. 
In dem Augenblicke, wo die österreichisch-ungarische Monarchie ihre schützenden 
Fittiche über Bosnien und die Hercegovina ausbreitete, um die öffentliche Sicherheit, 
Ordnung und Ruhe herzustellen, den materiellen Wohlstand, das geistige Niveau und 
die Gesittung zu heben, hatte das heroische Zeitalter und seine Epik einen natürlichen 
Abschluß gefunden. 
Die wohlthätigen Folgen dieses Wandels m den äußeren Geschicken zeigen sich auf 
allen Gebieten des kulturellen Strebens der so begabten Bevölkerung, nicht am mindesten in 
der Kunst und Literatur. Freilich sind die Ziele dieser Literatur wesentlich andere geworden. 
Galt es früher die Zaghaften zu ermuthigen, die Helden zur Ausdauer anzuspornen und den 
Märtyrertod zu verherrlichen, so ist die heutige Generation auf den Wettkampf in den 
Künsten des Friedens beschränkt. Die religiösen Gegensätze zu mildern, die Toleranz in 
immer weitere Kreise zu verbreiten, die entzweiten Brüder unter dem Banner der Cultur 
und unter dem Begriffe der Nationalität zusammenzufassen, ist nicht blos die Aufgabe der 
Verwaltung, sondern auch das Ideal der neuesten heimischen Literatur. Und das ist ein 
Gewinn, der alle anderen Errungenschaften, so wichtig sie sein mögen, in den Schatten 
stellt. Diesen erfreulichen Umschwung feiert der begabte Epiker Osman Beg Stafie
	        
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